Wie die Berliner auf die Teller kommen

Berliner der Bäckerei Huth… zu Gast in der Meisterbackstube des echten Bäckers

Obendrauf knackige Schokostreusel, innen wartet die leckere Schokoladen-Füllung: Beim Gedanken an unsere Schoko-Ballen läuft einem das Wasser im Mund zusammen und der Weg vom Teller zum Mund ist kurz. Alles andere als kurz ist der Weg, den unsere Berliner bis zum herzhaften Biss hinein zurücklegen – das Füllen der Berliner durch Doreen Schülke ist nämlich einer der letzten von vielen Schritten. Heute nehmen wir euch mit in die Backstube und verraten euch, welchen Weg unsere Berliner gehen, bis sie bei euch auf dem Teller landen und was wir dabei anders machen als andere Bäcker.

Wie bei allen Berlinern des echten Bäckers, geht es mit einem außerordentlich feinen Butterhefeteig los. Der ist in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit – und selbstgemacht! Ein großer Anbieter von Fertig-Backwaren für Bäckereien mit Sitz im Ruhrgebiet bewirbt seine Berliner mit dem Slogan „Convenience-Grad: Nur auftauen und fertig!“. Immer mehr Bäckereien haben solche Produkte in ihren Theken – und keine selbstgemachten wie bei Huth.

Zutatenlisten wie aus dem Chemiebaukasten

Ein anderer Hersteller der industriellen Berliner sitzt in Ostwestfalen, und ob man nach dem Blick auf dessen Zutatenliste wirklich noch genussvoll hineinbeißen mag? Glukosesirup, Geliermittel Pektin, Säuerungsmittel Citronensäure, Flüssigei, Molkenpulver, Emulgator E471, Dextrose, Hühnereiklar getrocknet, Aroma: die Zutatenliste liest sich eher wie eine Anleitung aus dem Chemiebaukasten. Künstliches Aroma steckt auch drin in diesem Berliner, den manche Bäckerei ungeniert als „handwerklich“ in ihre Theken legt.

Bei der Bäckerei Huth hingegen wird schon der Teig – wie alle Teige in Backstube und Konditorei – vollständig selbst hergestellt; im Fall der Berliner nur aus Weizenmehl, Zucker, Butter, Eiern, Hefe und Salz. Den großartigen Geschmack bekommen Doreen Schülke und ihre Kollegen durch eine entsprechende Teigführung hin, denn sie geben den von Natur aus enthaltenen Milch- und Essigsäurebakterien Gelegenheit, das Aroma des feinen Butterhefeteiges natürlich auszubilden. Ums eigentliche Ausbacken der (noch ungefüllten) Berliner drücken sich wohl die meisten Bäckereien herum. Ganz einfach ist es auch nicht, es erfordert Fingerspitzengefühl, viel Wissen um die richtige Mischung im Teig, die Temperatur des Öls im Fettbackgerät und etliches mehr, um einen perfekten, großvolumigen Berliner mit zarter Porung, einem schönen weißen Kragen und einem tollen, knackigen Biss hinzubekommen. In dieser Nacht steht Doreens Kollege Emrih Rebaj am Fettbackgerät. Behutsam gibt er die rohen Berliner hinein, schließt elektrisch die Abdeckung, und die Berliner beginnen zu bräunen. Gerade einmal 50 Stück bekommt er pro Durchgang unter – man kann sich ausmalen, wie viel Zeit die Bäcker alleine aufwenden müssen, an Fasching genug Berliner für alle fertigzubekommen.

Wie die Berliner zu ihrem „Kragen“ kommen

Nach einigen Minuten geht die Abdeckung wieder auf. Die Berliner sind dann nicht mehr vollständig im heißen Öl untergetaucht, sondern schwimmen obenauf. „Sie werden insgesamt noch dreimal gedreht und nur noch an der Ober- und Unterseite gebacken“, erklärt Emrih. „So werden sie dort noch einen Tick brauner und der ‚Kragen‘ in der Mitte bleibt herrlich weiß.“ Während der junge Bäcker-Lehrling das erklärt, kann er allerdings nicht einfach den Berlinern beim Braunwerden zusehen. Nebenan hat er ein Blech mit bereits ausgebackenen Berlinern abgestellt, sie kurz abkühlen lassen, und nun drückt er immer je zwei von ihnen auf den „Befüller“. In dem Gerät leuchtet tiefrot eine zuvor in der Huth-Backstube aus Berliner der Bäckerei Huthpürierten Früchten selbst gekochte Berliner-Marmelade. Erdbeeren, Johannisbeeren und Aprikosen nutzen die Limburger Meisterbäcker, binden das ganze lediglich mit Zucker und aus Äpfeln hergestelltem Pektin – fertig. Zum Vergleich: Im erwähnten Tiefkühl-Convenience-Produkt aus industrieller Fertigung finden sich in der Füllung auch Zucker und Pektin – daneben allerdings unter anderem: Glucosesirup, modifizierte Wachsmaisstärke, Geliermittel E 407, Säuerungsmittel Citronensäure, Verdickungsmittel Guarkernmehl, Konservierungsmittel E 202 und Aromen.

Doreen Schülke hat ihre tags zuvor vorbereitete Schokofüllung inzwischen erwärmt, um sie weicher zu machen, und ein handbetriebenes Berliner-Füllgerät aufgebaut. Auf einer Edelstahlschüssel voller Schokofüllung sind zwei Füllspitzen angeschraubt. Darauf steckt die Konditorin je einen Berliner, pumpt mit zwei Hebeln immer zweimal eine satte Portion Schokolade hinein, nimmt die Berliner wieder ab und drückt sie mit der anderen Seite erneut auf den Füller. Wieder zweimal Schokolade hineinpumpen: „Das machen wir so, damit du beim Reinbeißen die Füllung nicht nur an einer Stelle, sondern im ganzen ‚Schokoballen‘ hast“, plaudert die Fachfrau einen weiteren Trick für den perfekten Berliner-Genuss aus.

Nur Gutes rein, damit’s gut schmeckt

Berliner der Bäckerei HuthFür dieses süße Innenleben der „Schokoballen“, das ergänzt die Konditorin des echten Bäckers, gilt wiederum: komplett selbstgemacht, frei von Chemie. „Also, ich habe für die Füllung, wir nennen das eine ‚Ganache‘, lediglich Sahne erwärmt und Schoko-Chips untergerührt – mehr ist nicht drin!“ Unter ihrem Arbeitstisch hat Doreen Schülke einige Schubladen. Sie zieht eine davon auf und zeigt die „Chips“: reine Schokolade. Wie immer, wenn man einen Blick in die nächtliche Produktion des echten Bäckers wirft, findet man auch im Fall der Berliner eine dort überaus häufig gebrauchte „Zutat“: Zeit.

Doreen Schülke lässt die gefüllten „Schokoballen“ nach dem Einspritzen der Ganache abermals eine Weile stehen – und wendet sich einem zweiten, im Nassauer Land zu Fasching besonders beliebten Huth-Produkt zu, dem „Baileys“-Berliner. Seine Füllung ist für sich schon eine echt leckere Köstlichkeit. Die Basis dafür ist selbstgekochter Vanillepudding aus Zucker, Maisstärke, Eigelb, Milch, etwas Salz zum Abschmecken – und echten Vanilleschoten! Tahiti-Vanilleschoten, um präzise zu sein, die erheblich seltener, würziger und darum teurer sind, als die bekanntere „Bourbon-Vanille“. Der aus diesen reinen Zutaten gekochte Pudding wird „kaltgeschlagen“, wie es in der Konditorei heißt, und dann kommt eine Mischung aus echtem „Baileys“ und Whisky-Konzentrat hinzu. Diese Schritte hat Doreen Schülke tags zuvor erledigt – wieder wird der große zeitliche Aufwand für einen von Hand hergestellten Premium-Berliner deutlich.

Unzählige Handgriffe bis zum fertigen Berliner

„Ja, aber auch diese Füllung muss halt vom Vortag sein. Wenn man sie zu frisch auf den ‚Baileys‘- Berliner aufspritzt“, warnt Konditorin Doreen, „läuft sie breit. Sie wird ja mit der Sterntülle aufgespritzt: Ist die Füllung zu frisch, hält sie die Kontur nicht!“ Beeindruckend. Doreen Schülke achtet auf echt viele Details, dabei macht sie doch „nur“ Berliner und keine mehrstöckigen Hochzeitstorten… Gleichwohl: Wahrhaft detailreich ist die Herstellung der „Baileys“-Berliner insgesamt zu nennen. Jeden einzelnen nimmt die Konditorin vom Blech, dreht ihn mit einer gekonnten Bewegung einmal in erwärmtem Zuckerguss (Fondant), so dass er eine weiße „Mütze“ bekommt. Dann schneidet sie mit einem langen Messer jeden der Berliner auf, legt Ober- und Unterseiten nebeneinander. Anschließend kommt die besagte Sterntülle auf einem Spritzbeutel zum Einsatz, mit der die – wir erinnern uns: schon tags zuvor hergestellte – köstliche Pudding-Vanille-Füllung mit dem „Baileys“ drin auf die Berliner-Unterteile gegeben wird. Berliner für Berliner, einen großen Teil der Nacht lang. Erneut sind unzählige Handgriffe erforderlich, wenn Doreen Schülke die Berliner anschließend wieder „zusammenbaut“. Fertige „Baileys“-Berliner sind sie damit allerdings noch immer nicht: es fehlt das charakteristische „B“ obenauf. Dafür hat die Fachfrau abermals Schokolade erwärmt und rührt sie mit einem Kochlöffel kräftig um. Gekonnt rollt sie sich dann aus einem rechteckigen Stückchen Backpapier einen kleinen Spritzbeutel, füllt die Schokolade ein und schneidet mit einer Schere akkurat ein Loch in die Spitze – nicht zu groß, nicht zu klein; gerade so, dass das passende Maß Schokolade herauslaufen kann. Geschwind, mit beneidenswerter Fingerfertigkeit, schreibt Doreen je ein großes Schoko-„B“ als leckeres Erkennungszeichen auf den „Baileys“-Berliner – mit wahnsinnig viel Geduld.

Der „Schoko-Ballen“ ist jetzt doppelt schokoladig

Schokoballen der Bäckerei HuthWährend sie das tut, kommt ihr Kollege und Backstubenleiter Martin Wingenbach herüber, er hatte zuvor am Ofen nach Broten gesehen. „Das ‚B‘ wird aus einer einzigen Linie gezogen, ganz ohne Absetzen“, hebt der Bäckermeister die Handwerkskunst seiner Kollegin lobend hervor. Die muss sich jetzt allerdings noch einmal den mit Schokolade gefüllten Berlinern zuwenden, damit daraus rechtzeitig vor Öffnung der Huth-Bäckereifachgeschäfte fertige „Schokoballen“ werden. Denn ein Schritt fehlt noch: das „schokoladige“ Dekor. „Früher“, schildert Doreen Schülke, während sie den Wagen mit einigen Blechen voll Schokoberlinern zu einem anderen Arbeitstisch in der Limburger Backstube rollt, „da waren die oben bunt. Doch ab diesem Jahr haben sie ein anderes Dekor: ebenfalls Schokolade!“

Schokostreusel – und fertig!

In einer großen grauen Kunststoffkiste hat die Konditorin händeweise knackige Schokostreusel ausgebreitet. Daneben „aprikotiert“ sie die gefüllten, aber noch nicht fertigen Berliner zunächst: Mit einem speziellen Gerät sprüht sie erhitzte und darum flüssige Aprikosen- Marmelade auf die Berliner auf den Blechen. Und erneut muss jeder davon einzeln in die Hand genommen werden. Doreen drückt alle Berliner einzeln, die Oberseite mit der Aprikosenmarmeladenschicht voraus, in die Schokostreusel, rüttelt sie leicht hinein und lässt sie dann einen Moment lang in den Streuseln liegen. „Damit die besser haften bleiben“, erklärt sie. Und wirklich: Wenn Doreen Schülke die Berliner wieder aus der Schokostreusel-Kiste nimmt, haftet an jedem eine auffallend dicke Schicht – jetzt endlich sind sie zu fertigen „Schokoballen“ geworden, die innen und außen richtig satt nach Schokolade schmecken! Bleibt zum Schluss nur eine Frage, die selbst Konditorin Doreen nicht beantworten kann: Welchen probieren – „Baileys“- Berliner oder den jetzt noch schokoladigeren „Schokoballen“?

Quelle: Zeit für Brot