Wir dürfen uns offiziell als „echter Bäcker“ bezeichnen

„
Das mit dem Slogan „Der echte Bäcker“ ausgedrückte Selbstver-ständnis zeigt die Bäckerei Huth zum Beispiel auf ihren Liefer-fahrzeugen (so wie hier am Morgen vor dem
„Café 364“)

„Der echte Bäcker“: Für die 1828 gegründete Bäckerei Huth ist dieses Selbstverständnis Definition der eigenen Arbeit. Traditionelles Handwerk, natürliche Zutaten, keine Zusatzstoffe! Doch diese kompromisslose Maßgabe weckt offenbar den Argwohn anderer Bäcker: Ein Wettbewerber focht den Huth-Slogan sogar vor dem Frankfurter Landgericht an, konnte sich scheinbar nicht vorstellen, dass in der Backstube am Schlag „echt“ gearbeitet werden könnte.

Geschmacksverstärker, Zusatzstoffe, wie der Emulgator
E 472, oder künstliche Aroma- und Konservierungsstoffe, Farbstoffe – was gibt es nicht alles für Mittel und Wege, mit denen sich so manche Bäckereien die Arbeit erleichtern. Zum Selbstbild der Bäckerei Huth gehört es hingegen, auf Derartiges zu verzichten – so, wie es nach Auffassung der Geschäftsführer Dominique und Sascha Huth ein „echter Bäcker“ eben tue.

Ordnungshaft
Die Bäckerei Huth nimmt diesen Anspruch derart ernst, dass Wettbewerber sich dies scheinbar überhaupt nicht vorstellen können, sich gar angegriffen fühlen. Das ging sogar so weit, dass eine andere namhafte Bäckerei aus Limburg gerichtlich verbieten lassen wollte, dass Huth sich als „echter Bäcker“ bezeichnet! Ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, „im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren“ – beantragte diese Klägerin daher beim Landgericht Frankfurt am Main für den Fall, dass die Bäckerei Huth ihren Betrieb weiterhin mit der Aussage „Der echte Bäcker“ bewerbe. Denn damit, so der Vorwurf, führe Huth Kunden praktisch an der Nase herum, handele „unlauter“ (siehe Interview).

Begründung
Die nicht besonders plausible „Begründung“ des Klägers: Aufgrund der Unternehmensgröße und -organisation sei es gar nicht möglich, dass die Bäckerei Huth „echt“ arbeiten könnte – schlussfolgert der klagende Betrieb hier womöglich aus eigener Erfahrung?
Die Auffassung des Huth-Wettbewerbers sah das Gericht letztendlich jedoch anders und wies die Klage ab. Es liege keine Täuschung vor, „keine irreführende Angabe über geschäftliche Verhältnisse“, urteilte die zuständige Kammer. Es sei „irrelevant“, ob das Brot direkt vom Ofen der Backstube zur wenige Meter entfernten Theke gereicht oder per Transporter ins Fachgeschäft gefahren werde und was für ein Ofen oder welche Maschinen verwendet würden. Lediglich die „unver-
fälschte“ Herstellung eines Produkts, die „althergebrachte Backkunst“ und der damit einhergehende Verzicht auf chemisch-synthetische Zusatzstoffe und andere Hilfsmittel seien entscheidend mit der Aussage „echter Bäcker“ verbunden.

Deklaration
So wie es bei der Bäckerei Huth eben der Fall ist. Denn chemische Farbstoffe und synthetische Aromen oder nicht selbst hergestellte Produkte („Convenience“): all das verbietet sich der Traditionsbetrieb seit jeher – wohingegen die klagende Bäckerei ausweislich ihrer eigenen Produkt-Deklaration übrigens sehr wohl teilweise Emulgatoren, Aromen oder Farbstoffe verwendet.

Prinzip
Der echte Bäcker Huth setzt stattdessen auf das „Slow-Baking-Prinzip“, arbeitet mit besonders langen Teigführungen sowie mit sieben verschiedenen, hausgemachten Natur-Sauerteigen. Umso verwunderlicher war der Rechtsstreit für die Bäcker am Schlag.
Das Gericht zog in der Urteilsbegründung letztlich eine klare Abgrenzung zu einem mit industriellen Hilfsmitteln produzierenden Bäcker, der zum Beispiel synthetische Zusatzstoffe verwendet, hob zudem hervor, dass insofern allgemein bekannt ist, dass es eine Vielzahl von Bäckereien gibt, die ihre Backwaren auf diesem („industriellen“) Weg herstellen.

Bäckerhandwerk
Als die Klageschrift im Posteingang landete, habe er zunächst die Welt nicht mehr verstanden, erinnert sich Dominique Huth noch heute: „Wir arbeiten so, wie wir ,richtiges‘ Bäckerhandwerk definieren. Und das sollen wir nicht auch so sagen dürfen?“ Doch, die Bäckerei Huth darf – das Urteil ist inzwischen rechtskräftig und damit gültig.