Grashüpfer im Bio-Dinkel für den echten Bäcker

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Da wird genau hingeschaut!

Der Admiral dreht zwei Runden über den Brennnesseln und dem rot leuchtenden Klatschmohn im Feldrain, ehe er mit den typisch „zackigen“ Bewegungen eines Schmetterlings gen Horizont entschwindet. Entlang der duftenden Kamille und dem intensiv gelben Hahnenfuß summen einige Wildbienen, an den bunten Blüten des benachbarten Klees haben Hummeln Gefallen gefunden. Doch eigentlich hat Lisa Wagner Dominique Huth wegen ganz anderer Pflanzen hier raus auf das Feld im „Goldenen Grund“ gebracht: Sie möchte dem echten Bäcker gemeinsam mit ihrem Bruder Dennis zeigen, wo zur Zeit der Dinkel wächst, der nach der Ernte zu Bio-Mehl für die Backstube am Schlag in Limburg werden soll.

In der letzten Juli- oder ersten August-Woche sei eigentlich die für die Gegend normale Erntezeit für das Brotgetreide. Die inzwischen häufige große Hitze beschleunige die Reifung der Ähren und Körner allerdings, erläutert Dennis Wunike, so dass mitunter früher gedroschen werden müsse. Dominique Huth möchte vom Landwirt wissen, ob die alte Bauernweisheit vom kühlen und nassen Mai eigentlich zutreffe, den wir in diesem Jahr hatten. „Das ist so“, entgegnet Wunike nur.

Winterweizen und -roggen, Sommerweizen, Hafer und eben Dinkel: Auf dem Harvesterhof, den Lisa Wagner und Dennis Wunike 2008 von ihren Eltern übernommen haben, wachsen mehrere Getreidesorten. Dinkel erstmals in diesem Jahr; 13 Hektar davon, komplett bio.
1998, schildert Lisa Wagner, sei der zwischen dem Limburger Stadtteil Linter und Mensfelden gelegene Betrieb auf „bio“ umgestellt worden, 2003 erfolgte die Zertifizierung. Allerdings ist das EU-Bio-Siegel nicht die einzige selbstgewählte Vorgabe, nach der auf dem Harvesterhof gearbeitet wird: er ist zusätzlich den erheblich weitergehenden „Naturland“-Richtlinien unterworfen. So erlaubt das EU-Siegel laut dem Verband beispielsweise eine Teilbetriebsumstellung, die „Naturland“ als schwierig ansieht etwa hinsichtlich der mangelnden Abgrenzung. Für einen „Naturland“-Hof ist die Gesamtbetriebsumstellung zwingend. „Alles, was hier auf den Feldern steht, ist bio“, unterstreicht Dennis Wunike.

Fachwissen
Für die Arbeit auf dem Dinkel-Acker wie allen Feldern des Harvesterhofs, die ringsum direkt an die Stallungen, Scheunen und das bäuerliche Wohnhaus angrenzen, hat das „Naturland“-Siegel weitreichende Folgen und bedeutet nicht selten mehr Arbeit. Während im konventionellen Landbau Herbizide zum Pflanzenschutz eingesetzt werden, wird bei „bio“ stattdessen „gestriegelt“: Die Pflanzen werden mechanisch bearbeitet. Mit dem entsprechenden Gerät, erklärt Dennis Wunike Dominique Huth anhand einiger Dinkel-Ähren, hat er auch den Haupttrieb jeder Pflanze bewusst gebremst, so dass dafür die Seitentriebe wachsen. Man merkt schnell, dass für moderne Bio-Landwirtschaft einiges Fachwissen nötig ist.

Saatgut
Die Dinkelsaat hat der Bauer bereits im vergangenen Oktober ausgebracht. Etwa 190 Kilogramm Saatgut je Hektar Dinkel. „Es kommt natürlich wie immer auf die Witterung an, aber am Ende hat man 500 bis 600 ährentragende Halme je Quadratmeter“, führt der Fachmann aus.

Schon seit dem 17. Jahrhundert haben Vorfahren von Lisa Wagner und Dennis Wunike Landwirtschaft betrieben. „Der Harvesterhof lag früher mitten im Ort“, erzählt Wagner, „doch nach einem verheerenden Brand, der ihn vollständig zerstörte, mussten meine Großeltern 1966 aussiedeln und ein paar hundert Meter südlich der Ortsgrenze neu anfangen.“ Direkt dort beginnen heute die Felder der jungen Landwirte; nicht nur Brotgetreide wächst darauf, es gibt ebenso Mais, Kartoffeln, Gemüse. 140 Hektar bewirtschaften die Geschwister insgesamt. „Uns ist wichtig, dass die Flächen zusammenhängen, damit nichts Konventionelles eingetragen werden kann“, hebt Lisa Wagner hervor.

Während Dennis Wunike sich vor allem mit der eigentlichen Landwirtschaft, mit Anbaumethoden und Saatgut- auswahl befasst, kümmert sich seine Schwester mehr um die Vermarktung und das „Backoffice“. Manches Mal sind dabei zähe Aufgaben zu erledigen. „Wir haben die letzten vier Jahre gesucht, um eine für den Dinkel geeignete, möglichst ebenfalls handwerkliche Bio-Mühle zu finden“, beschreibt Lisa Wagner ein Beispiel. Der Mühlenmarkt ist stark konzentriert, wenige große Akteure dominieren ihn. Gab es einst allein am Mittelrhein rund 100 handwerkliche Betriebe, existieren inzwischen in ganz Deutschland keine 190 Mühlen mehr. Die 29 größten davon, die 100.000 Tonnen und mehr im Jahr vermahlen, hatten laut Bundeslandwirtschaftsministerium im Wirtschaftsjahr 2018/19 einen mengenmäßigen Marktanteil von über 71 Prozent…

Der Dinkel vom Harvesterhof wird nach Windesheim bei Bingen gebracht werden. Dort arbeitet die Mühle Kruskop und wird aus den Körnern aus Linter Bio-Dinkelmehl für den echten Bäcker vermahlen. Und es ist dann eine weitere, wirklich regionale Zutat in der Bäckerei Huth!

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Regionale Zutaten sind das A und O!

Region
Der Begriff „regional“ ist nicht geschützt, so dass die Bezeichnung oft wenig Aussagekraft zu haben scheint. Die Verbraucherzentrale Bayern bemängelt: „Regionale Lebensmittel werden immer beliebter, sind aber oft nicht einfach zu erkennen.“ „Beim Einkauf regionaler Lebensmittel ist es ratsam, immer genau zu fragen, wofür die Angabe regional steht“, empfiehlt Susanne Moritz, Ernährungsexpertin der Verbraucher- zentrale. Wenig aussagekräftig seien Markennamen mit regionalem Bezug oder unbestimmte Werbebegriffe wie „aus der Region“ oder „von hier“, wenn genaue Ortsangaben fehlten. Der Discounter Lidl, so der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), verkaufe Produkte unter der Regionalmarke „Ein gutes Stück Heimat“ gar bundesweit.
Der Bio-Dinkel vom Harvesterhof, aus dem künftig das Mehl für Bäckerei-Huth-Produkte wie die „Dinkel-Chia-Kruste“ oder das beliebte „Meloni“-Brötchen gewonnen wird, wächst jedoch keine fünf Kilometer Luftlinie von der Backstube am Schlag entfernt, und ein jeder Limburger kann bei der sonntäglichen Radtour durch die Felder radeln und die Ähren in den wunderbar blauen Sommerhimmel über dem „Goldenen Grund“ streben sehen. Vielleicht ist dabei sogar das Summen der Bienen über dem Hahnenfuß zu hören und der umherflatternde Admiral zu erleben.
Uwe Schmalenbach