Rohstoffpreise bedrohen das deutsche Brot!
Beim echten Bäcker ist eine weitere Anpassung der Backwarenpreise im September unausweichlich gewesen. Das beliebte Nassauer Mühlenbrot zum Beispiel ist nun für 4,60 Euro zu haben. Das entspricht einem Aufschlag von 15 Prozent – von nur 15 Prozent, müsste man formulieren. Denn alleine fürs Weizenmehl zahlt die Bäckerei Huth ihrerseits derweil 55 Prozent mehr – nicht etwa verglichen mit dem Mehl-Preis von vor zehn oder 20 Jahren, sondern gegenüber August 2021! Wenn das Nassauer Mühlenbrot mit der an das Gründungsjahr der Bäckerei Huth erinnernden „1828“ auf der Kruste also lediglich um 15 Prozent angehoben worden ist, werden die gestiegenen Rohstoffkosten somit nur zu einem kleineren Teil an die Kunden weitergegeben.
Um ein (einfaches) Brot zu backen, sind neben Wasser zunächst nur drei Zutaten notwendig: Mehl, Hefe, Salz. Weizenmehl hat sich, wie geschildert, um mehr als die Hälfte verteuert. Der Preis für Hefe ist um gut 35, der fürs Salz um fast 43 Prozent nach oben geklettert. Doch damit sind diese Komponenten noch lange nicht an der Spitze der Verteuerungs-Liste: Für ein Kilo Gouda stellt die „BÄKO“ der Bäckerei Huth derzeit über 75 Prozent mehr in Rechnung als noch vor einem Jahr, Backpulver legte um 95,5 Prozent zu, und mit einer Erhöhung um sage und schreibe 117,7 Prozent liegen Sonnenblumenkerne momentan ganz vorne bei der Kostenexplosion. Da nehmen sich Zuwächse von 20,2 Prozent für Ei oder 29,8 Prozent für Olivenöl fast bescheiden aus…
Überblick
„Die Preissteigerungen in diesem Jahr sind erheblich“, bestätigt Olaf Schütz. Schütz muss es wissen. Denn der Geschäftsführer der „BÄKO Hessen-Rheinland eG“ hat einen umfas- senden Überblick über den Zutatenbedarf der Bäckerbranche. 1917 gründeten Bäcker und Konditoren zur Unterstützung des Backenden Handwerks in der Region die „BÄKO Rhein-Main-Limburg eG“, die inzwischen mit anderen Bäckerge- nossenschaften zur „BÄKO Hessen-Rheinland“ fusioniert wurde. 576 Mitglieder hat sie, 650 backende Betriebe in fast ganz Hessen, Teilen Thüringens und ebenso in Rheinhessen, dem Hunsrück oder dem Westerwald versorgen sich über die Genossenschaft mit Butter, Sahne, Saaten und vielem mehr.
Fragt man Olaf Schütz nach den Gründen für die immer höheren Rohstoff-Rechnungen, antwortet er: „Tatsächlich erleben wir immer noch Folgen der Corona-Pandemie. Das heißt, die weltweite Logistik ist weiterhin nachhaltig gestört. Und wir beschaffen viele Produkte weltweit. Wenn dann China wegen drei oder vier Corona-Fällen gleich einen ganzen Hafen stilllegt und 300, 400 Schiffe davor liegen, die nicht abgefertigt werden können, dann sind davon auch Container betroffen, die Rohstoffe für Bäckereien enthalten.“ Durch die einhergehende Verknappung stiegen entsprechend die Preise. Der Ukraine-Krieg habe, neben allem menschlichen Leid dort, seinerseits diese Entwicklung verstärkt. Fallen Weizenlieferungen nach Afrika aus, die vormals aus der Ukraine gekommen sind, versucht der Weltmarkt, diese Mengen anderswo zu beschaffen – mit dem Ergebnis, dass der Börsenkurs weiter nach oben getrieben wird.
Deutschland produziert mehr Getreide und Mehl, als die Bäckerbranche und Lebensmittelindustrie im Inland verbacken können. Dennoch verteuern sich Mehle hierzulande ebenfalls weiter und weiter… „Der Markt orientiert sich am höchsten Preis – so einfach ist die Denke an dieser Stelle“, erläutert Olaf Schütz dazu. „Das ist nicht gut. Ich bin der Meinung, dass bei Grundnahrungsmitteln, ebenso wie bei Energie und Bildung, Spekulation unterbunden gehört – aber soweit sind wir eben noch lange nicht.“
Trockenheit
Die in Deutschland steigenden Getreidepreise gingen ebenso auf regional unterschiedliche Entwicklungen etwa bezüglich der seit Jahren problematischen Trockenheit zurück. „Die Mengen, die auf den Feldern gedroschen werden können, sind noch ordentlich – aber die Qualität! Wir haben einen immer höheren Anteil an Weizen, der fürs Brotmehl nicht mehr geeignet ist“, führt der „BÄKO“-Geschäftsführer aus. Wiederum ein Grund, warum die Menge des Verfügbaren kleiner, der Preis damit – ganz den Marktgesetzen folgend – höher wird.
Aufschlag
An der französischen Terminbörse MATIF habe man aktuell mittlerweile zwischen 80 und 100 Euro Aufschlag pro Tonne Weizen, verdeutlicht Olaf Schütz die Wirkung. „Dann ist die Ware noch nicht bei Ihnen! Es kommt die Logistik hinzu, die aufgrund der Energiekosten ebenfalls immer teurer wird und sich im Preis für den Rohstoff niederschlägt.“ So koste ein BÄKO-Lkw, der etwas zur Backstube bringt, inzwischen 1,35 Euro je Kilometer.
„Wir können direkt vom Mehl zum Zucker gehen“, stellt Olaf Schütz heraus, „durch die Trockenheit haben wir auf den Feldern keine richtigen Zuckerrüben, die sehen eher aus wie Radieschen! Das heißt, es gibt nur wahnsinnig kleine Rüben, daher stehen wir vor einer Unterversorgung mit Zucker. Selbst wir als BÄKO – wir sind ein riesiger Verbund aus derzeit 26 Regionalgenossenschaften mit Milliarden-Umsätzen – hatten Probleme, genug Zucker für unsere Bäcker zu sichern! Wenn Herr Huth nun zu mir käme und sagen würde: ‚Wir wollen halb Asien demnächst mit Zimt-Zucker-Schnecken beliefern und brauchen noch 500 Tonnen Zucker mehr als sonst‘ – dann könnte ich ihm nur antworten: ‚Schön, aber nicht von uns…‘“
In einer Wirtschaftswelt, die von Globalisierung und Konzentrationen gekennzeichnet ist, hat die „BÄKO“ wenig alternative Anbieter. Beim Zucker zum Beispiel gebe es im Inland gerade einmal „Nordzucker“, „Südzucker“, das Unternehmen „Pfeifer & Langen“ – schon sind die Quellen erschöpft. „Natürlich können wir im Ausland zukaufen“, sagt Schütz, das führe jedoch zuweilen zu neuen Problemen: „Der Zucker aus England hat die falsche Körnung, der aus Frankreich war teilweise in Jutesäcke abgefüllt, wo am Ende das Handling das Problem gewesen ist. Und von der Ressourcen-Schonung her sollten solche Zutaten ohnehin nicht von sonstwo, sondern aus Deutschland kommen.“
Dann ist da noch der immer mehr Geld verschlingende Energiebedarf bei Backöfen oder Kühlungen. Für Dominique Huth stellt sich inzwischen die Frage, ob der Politik klar sei, was derzeit in den Bäckereien Deutschlands passiert – und dass die Versorgung mit dem täglich‘ Brot, das seit 2014 sogar den UNESCO-Welterbe-Status hat, ernsthaft bedroht ist. Denn die Bäcker müssten die Rohstoffkosten eigentlich komplett an die Kunden weitergeben, wollten sie nicht Gefahr laufen, sie auf Dauer nicht mehr tragen zu können. Während Etliche beträchtliche Summen für Urlaub ausgegeben haben im laufenden Jahr, was nach „coronabedingten“ Einschränkungen in den Vorjahren verständlich ist, möchten, so Huth, viele Verbraucher von steigenden Backwarenpreisen nichts wissen. Dabei liege Brot – trotz jüngster Erhöhungen – im nach Warengruppen gegliederten Verbraucherpreisindex für Nahrungsmittel beim Statistik-Unternehmen „Statista“ am unteren Ende verglichen mit anderen Produkten im Lebensmitteleinzelhandel!
Butter
Drei bis vier Prozent der Bäckereien verschwinden bereits jetzt Jahr für Jahr vom Markt. Bei der „BÄKO“ kann man das am schrumpfenden Kundenstamm eindeutig ablesen. Olaf Schütz hat Sorgenfalten im Gesicht: „Ich weiß nicht, ob irgendjemand ‚draußen‘ auf dem Schirm hat, dass der Bäcker, wenn er heute einkauft, 25 Prozent mehr Geld hinlegen muss. Das weiß gar keiner, und das ist brutal! Bald acht Euro netto für ein Kilo Butter! Wo wollen wir noch hin? Das ist verrückt.“
Die Inflationsrate in Deutschland beträgt knapp über acht Prozent. Der Preisindex der „BÄKO“ über ihr gesamtes Bäckersortiment liegt per August jedoch 28,7 Prozent über dem Vorjahresmonat. Geschäftsführer Schütz: „Das heißt: Gibt die Bäckerei Huth bei uns 100.000 Euro für ihre Bestellungen aus, bekommt sie nur noch die Menge an Ware, als hätte sie, bezogen auf den Vorjahresindex, lediglich für 71.300 Euro bestellt! Das muss erst einmal einer stemmen.“