„Wann muss man aufstehen?“

48 Schüler der Theodor-Heuss-Schule sind beim „Job-Interview“ mit Dominique Huth dabei.

Wie viel verdient man?“ „Sind Sie Chef?“ „Wie viele Läden haben Sie?“ „Wie viel arbeitet man?“ Die 46 Schüler aus zwei siebten Klassen haben einen umfangreichen Fragenkatalog zum „Job-Interview“ in der dritten Stunde mitgebracht, zu dem Dominique Huth in die Limburger Theodor-Heuss-Schule gekommen ist. Dort sei die Berufsorientierung ein wichtiges Thema, und darum finden solche Angebote an der Mittelstufenschule häufiger statt, wie Lehrerin Christine Heep betont.

Schon seit über zehn Jahren gebe es an der Schule Programme wie die „Job-Interviews“, berichtet Schulleiter Stefan Reitz. Auch beim „Limburger Modell“ ist die Bildungseinrichtung engagiert. Die Schüler erhalten so zum Beispiel die Chance, im Laufe eines Schuljahres mindestens vier Berufsfelder kennenzulernen und nicht nur die Möglichkeit, ein sonst vielfach übliches, einziges Betriebspraktikum zu absolvieren.

Interaktion
Reitz hat beobachtet, dass der Einstieg ins Berufsleben zahlreichen jungen Menschen heute schwer(er) fällt: „Alleine, sich aufzumachen und den ersten Schritt zu gehen, das Telefon in die Hand zu nehmen und bei einem Betrieb anzurufen…“ „Corona“ habe dazu beigetragen, weil Interaktion mit anderen während der Pandemie- Jahre nur sehr eingeschränkt stattgefunden habe, so Reitz. „Und diese wichtige Erfahrung, die man normalerweise ab einem Alter von 14, 15 Jahren macht, fehlt einem jungen Menschen nun, wenn er wegen seines Ausbildungsplatzes auf einen Fremden zugehen soll.“
Um den Schülern beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt zu helfen, gehört beispielsweise ein Bewerbungstraining im Unterricht fest zum Stundenplan, wie Christine Heep darlegt: „Wir trainieren auch einen ersten Anruf bei einem Unternehmen, etwa, um sich nach einer Praktikumsstelle zu erkundigen.“ Die „Berufseinstiegsbegleitung“ sei vormals stärker im Elternhaus geleistet worden, ergänzt Stefan Reitz. Da das heute in vielen Fällen nicht mehr erfolge, sieht er die Theodor-Heuss-Schule verstärkt in der Pflicht, den jungen Menschen „über die Schwelle zu helfen“.
Die meisten der Siebtklässler, denen der Brotsommelier fürs „Job-Interview“ zur Verfügung steht, kennen die Bäckerei Huth, wie sie sagen. Elf der 46 Schüler sind als jüngere Kinder sogar schon einmal beim beliebten „Weihnachtsbacken“ in der Backstube am Schlag dabeigewesen.
Dominique Huth stellt den Schülern zunächst seinen eigenen Werdegang von Schule, über einjährigen Auslandsaufenthalt, Studium, Übernahme der Bäckerei von den Eltern bis zur Zusatzqualifikation als Brotsommelier 2017 dar. „Wir wissen bei allen Produkten, was drin ist. Wir verzichten auf ‚Convenience‘ und backen alles selbst“, erläutert er.

Details
Die Schüler staunen über die vielen Details, die sie zur Bäckerei Huth erfahren, die ihnen aus dem Straßenbild vertraut ist: 1828 gegründet, 17 Bäckereifachgeschäfte, 130 Mitarbeiter, 10.000 Brötchen am Tag, an die 2.000 Brote.
„Wer eine Ausbildung sucht, der ist bei uns richtig“, sagt Dominique Huth und beschreibt den 12-, 13-Jährigen das betriebliche Mentorenprogramm, bei dem jeder „Azubi“ seinen festen Ansprechpartner zur Unterstützung zur Seite habe. Huth gibt den Schülern zudem eine Reihe praktischer Tipps, wie sie aus Sicht eines Unternehmers mit einer Bewerbung in Gewerbebetrieben erfolgreich sein können.
„Wie viele Bäckereien haben Sie in Deutschland schon besichtigt?“, möchte ein Mädchen bei der Fragerunde vom Brotsommelier wissen. „Ab welchem Alter darf man in der Bäckerei anfangen?“ „Welchen Abschluss braucht man?“ „Ist die Bäckerei Huth international?“ „Welche Marke hat Ihre Butter?“ „Wann muss man als Bäcker aufstehen?“ „Wo ist der Hauptsitz der Bäckerei?“ „Gibt es Pausen?“ Die Schüler der Theodor-Heuss-Schule nutzen die Gelegenheit, um für sich zu klären, ob ein Beruf in dem in siebter Generation geführten Handwerksbetrieb für sie passen könnte, wirklich auffallend intensiv.
Den Umstand, dass Backwaren aufgrund der Preissteigerungen für die Zutaten von der allgemeinen Teuerung betroffen sind (siehe auch Seite 2), haben die Siebtklässler ebenfalls schon mitbekommen und wollen von Dominique Huth mehr zu den Gründen dafür erfahren. Ebenso ist den jungen Menschen wichtig: „Haben Sie eigene Rezepte?“

Stefan Reitz (rechts) und Christine Heep berichten Dominique Huth von ihrer Erfahrung mit der Berufseinstiegsbegleitung.

Orientierung
Das „Job-Interview“ scheint dafür zu sorgen, dass die Schüler am Ende alle Informationen haben, die sie sich über die Limburger Bäckerei Huth gewünscht hatten. Das Vorhaben der Theodor-Heuss-Schule, schon frühzeitig mehr Orientierung für die Lebensphase nach der Zeit auf der „Schulbank“ zu bieten, scheint aufzugehen.
Aufgegangen ist am Morgen, vor Unterrichtsbeginn, auch der Butter-Hefe-Ei-Teig, aus dem die Schokobrötchen beim echten Bäcker gemacht werden. Klar, dass Dominique Huth als Dankeschön für die engagierte Beteiligung beim „Job-Interview“ beiden Klassen genügend davon mitgebracht hat.