Lob kannte er gar nicht

Lob kannte er gar nicht
„So geht das den ganzen Tag“, schmunzelt Johannes Balcke. Eben hatte sein Handy geklingelt, zum wiederholten Mal: In einem Bäckereifachgeschäft des echten Bäckers gab es ein Problem mit einer Fensterscheibe, dem er sich annehmen sollte. Davor leckte der Schlauch einer Kaffeemaschine im „Café Ungrad“, dann wieder störte eine herausfliegende Sicherung eine Kühltheke.

Als Servicetechniker ist Johannes Balcke in den Bäckereifachgeschäften gern gesehen!

Als Johannes Balcke von 1977 bis 1980 seine Ausbildung zum Maurer absolvierte, da wusste er noch nicht, wie weit ihn dieser Beruf durch die Welt führen sollte. Das „Licht der Welt“ erblickte er an der Ems, in Meppen. Zur Einschulung zog seine Familie nach Diez um, der Vater wurde Fachlehrer an der dortigen Berufsschule. Als Elektromeister war er ebenso schon im Handwerksbereich tätig. „Meine drei Brüder jedoch machen nichts mit Handwerk“, lächelt Johannes Balcke, „das sind alles Studierte!“ Als seine Maurer-Lehre zu Ende war, stand er auf seiner ersten großen Baustelle: dem Neubau von „C&A“ in Limburgs Innenstadt. Es folgten viele Objekte in nah und fern, im In- und Ausland. Wie viele, das weiß der in diesem Jahr 57 Jahre alt Werdende gar nicht mehr. „Fünf Jahre lang war ich beispielsweise bundesweit im Tankstellenbau aktiv, habe ebenso an Atomkraftwerken mitgearbeitet, verputzt, Fliesen gelegt oder Estrich gegossen – das volle Programm; alles gemacht, was man braucht, um ein Haus zu bauen.“

An einen Auftrag der Jahre 1989/90 erinnert sich der heutige Huth-Mitarbeiter noch recht genau: „Während des Mauerfalls in Deutschland war ich in Moskau arbeiten“, schildert er – „ausgerechnet an der neuen deutschen Botschaft.“ Aus jenen, für die sowjetische Bevölkerung überaus entbehrungsreichen Jahren gegen Ende des Kommunismus‘ weiß er, was es bedeutet, keine ausreichende Lebensmittelversorgung zu haben: „Die haben die Brote gedrittelt – die beiden Enden und das Mittelstück wurden zerteilt. Der, der mehr Geld hatte, bekam das Mittelstück, zwei andere Kunden nur die Ränder“, blickt er zurück. „Wir wurden schon schief angeguckt, dass wir mit unseren Devisen ein ganzes Brot auf einmal kauften!“ Die Diskussion um die Flüchtlinge in Deutschland versteht er durch solche und andere prägende Erlebnisse nicht, hat von Anfang an die Diezer Flüchtlingsunterkunft in der alten Kaserne mit Kleiderspenden und Spielzeug seiner Kinder unterstützt. Und auf Baustellen sei es ohnehin stets international zugegangen.

Operation

Lob kannte er gar nicht
Zwei Hunde und ein großer Garten mit im
vergangenen Jahr angelegten Hochbeeten
sind sein Hobby und sein Ausgleich zu
Arbeiten wie dem Anbringen von  huthorangen Sonnenrollos im  Bäckereifachgeschäft in der Industriestraße.

31 Jahre lang war Johannes Balcke gerne auf dem Bau, als ihn plötzlich eine Schulter-OP jäh ausbremste. „Es wurde danach allerdings nicht besser, eher schlimmer.“ Ein Jahr später musste eine zweite Operation folgen – dann kam das Aus: Maurer zu sein, sollte für den leidenschaftlichen Handwerker, der selbst in seiner Freizeit noch bastelt und schraubt, nicht mehr möglich sein. „Was machst du jetzt?“ Mit der Frage habe er sich gequält. Und mit Kostenträgern, dem Arbeitsamt, Gutachten. Das zog sich eineinhalb Jahre, anschließend wurde er Haustechniker. Eine Umschulung und ein Neustart mit 46 Jahren. Balcke bewies abermals viel Einsatz, besuchte die Haustechniker-Schule in Neuwied eineinhalb Jahre lang.

Unsicherheit

Durch ein Praktikum während jener Zeit kam er in die Firma, in der einst auch Daniel Feld tätig war, der heutige Büroleiter der Bäckerei Huth („Zeit für Brot“ berichtete). Hier fand der frühere Maurer eine neue Anstellung als Hausmeister, arbeitete allerdings mehr und mehr im Versand. Hinzu kam: Die Entwicklung der Firma verlief nicht gut. Die Geschäftsleitung signalisierte, das Johannes Balckes Job nicht sicher war. „Dabei war ich für die Firma sogar
zweimal in China, noch letztes Jahr von Februar bis April.“ Die Geschichte wollte es, dass Daniel Feld das Unternehmen zwischenzeitlich schon verlassen und bei der Bäckerei Huth begonnen hatte. Als der dortige damalige Servicetechniker aufhörte, stellte Feld den Kontakt zwischen seinem alten Kollegen und seinen neuen Chefs her. „Dann ging es ganz schnell“, beschreibt Johannes Balcke, jetzt wieder Kollege Daniel Felds. „Am 19. 9. habe ich beim echten Bäcker angefangen.“

Und seither flattern ihm täglich Meldungen auf den Tisch. Kalkfraß setzt Maschinen zu, besonders den Kaffeemaschinen. Ein Ofen hält die Temperatur nicht mehr perfekt. Eine Brotschneidemaschine quietscht. „Oder da geht mal eine Glühbirne im Bäckereifachgeschäft kaputt – wie daheim auch“, erläutert der Servicetechniker. Aus diesen Meldungen plant er seine eigenen täglichen Routen, wie er möglichst effektiv alle Wünsche schnell erledigen kann. „Andererseits kommt man zuweilen morgens in die Firma und dann klagt die Putzfrau in der Backstube schon, dass sie kein heißes Wasser hat. Die Backstube geht logischerweise immer vor, sonst gibt es keine Brötchen und kein Brot.“ In solchen Fällen wirft Johannes Balcke seinen Routenplan spontan über den Haufen.

Neuland

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Zwei Kinder und vier Enkel haben Johannes Balcke und seine Frau. Die lernte er, wie könnte es anders sein, im Saarland „auf Montage“ kennen. Jetzt ist das Paar seit 34 Jahren verheiratet. Fotos: Schmalenbach

„Es ist ein Geben und ein Nehmen! Ich glaube, die Mädels an den Theken sind schon immer froh, wenn ich komme. Wenn die Damen nur nicht so viel kaputt machen würden!“, scherzt der Techniker. Termine, eigene wie mit Spezialfirmen, die für Gerätschaften angefordert werden, selbst zu machen, das sei schon Neuland für ihn gewesen nach Jahrzehnten auf dem Bau, räumt Johannes Balcke nachdenklich ein. „Das brauchte ich früher nicht.“ Doch er denke, dass in seinem neuen Aufgabengebiet alles ganz gut laufe. Er schätze die Abwechslung. Und daneben eine weitere Veränderung zu seinem alten Job. Denn viel und hart zu arbeiten, daran ist Johannes Balcke immer gewöhnt gewesen. Was der Huth- Servicetechniker, wie er sagt, jedoch im früheren Berufsleben nicht erfuhr: Anerkennung für seinen Einsatz. „Hier kriegste auch mal ein Lob – sowas kannte ich nicht; das gab es in der anderen Firma gar nicht.“

Text und Bilder von Uwe Schmalenbach.