Zeit für Reife: So wird unser Stollen gemacht!

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Der Limburger Butterstollen im Herstellungsprozess

„Es sind halt viele Kleinigkeiten, die in der Summe den kompletten Stollen-Geschmack ausmachen“, sinniert Martin Wingenbach, während er die just im Backofen der Bäckerei Huth gerösteten Mandeln für den Stollenteig in Milch einweicht. Diese eine der vielen „Kleinigkeiten“ beispielsweise sei sinnvoll, „weil die Milch der Mandel etwas die Bitterstoffe nimmt“, erläutert der Bäckermeister, „und ihr eine süßliche Note mitgibt.“

Power
Teigmacherin Julia Heimann lässt unterdessen in der Backstube am Schlag in Limburg den Vorteig für den „feinsten Limburger Butterstollen“ laufen: Das Gemisch, dass der Teigkneter vermengt, besteht nur aus Mehl, Wasser und Hefe. Es sei aber für das spätere Produkt super wichtig, betont die Bäckerin: „Stollenteig ist ein schwerer Teig. Da muss die Hefe im Vorteig ordentlich Power entwickeln, um nachher den Hauptteig zu lockern.“ Dieses auch als „Hefestück“ bezeichnete Gemisch vermöge es, zu vermeiden, dass der schwere Butterteig des Stollens – er besteht aus bis zu 50 Prozent guter Butter! – zu fest werde. Daneben bringe die Entwicklung dieses Vorteigs viel Aroma für das fertige Endprodukt mit, wie Julia Heimann ergänzt.
Weizenmehl, eben eine Menge Butter, Zucker, Salz, Vanille, Eigelb, Marzipan und die vorhin selbstgerösteten und in Milch eingeweichten Mandeln sind für den Hauptteig nötig. Ist der mit dem Vorteig/Hefestück vermischt und ausreichend geknetet worden, muss er sich entspannen, ehe es mit den restlichen Zutaten weitergeht: Sultaninen sowie Orangeat und Zitronat werden abschließend untergemischt. Die Früchte wurden zuvor in Rum eingelegt. „Der Rum hatte Zeit, in die Früchte einzuziehen“, erklärt Martin Wingenbach. „Allerdings verdunstet der Alkoholgehalt beim Backen, zurück bleibt nur das Aroma.“

Dass die Früchte lange vor der eigentlichen Stollenherstellung in die hochprozentige Flüssigkeit gegeben wurden, sei in der Wirkung wie bei einem Kartoffelsalat, zwinkert Martin Wingenbach: „Kartoffeln schmecken einzeln super, Ma­yon­nai­se schmeckt einzeln super, Wurst ist alleine schon lecker – aber alles miteinander vermischt und einen Tag durchgezogen, ist halt noch erheblich besser!“, sagt der Bäckermeister.

Gärschrank
Unterdessen hat sein Kollege Ole Pense aus dem fertigen und entspannten Stollenteig einzelne Teile abzuwiegen begonnen, formt diese rund und legt sie sorgsam in Kastenbackformen. Diese fährt er anschließend in den „Gärschrank“. Darin reift der Teig bei nicht allzu warmen Temperaturen; die Fachleute in der Backstube sprechen von „kühlerer Gare“. Das sei wichtig, weil bei höheren Graden zu viel der Butter vorab aus dem Teig austreten würde. „Die soll aber bis zum Ende im Stollen bleiben – für den feinen Buttergeschmack und ebenso für die Frischhaltung des Stollens“, verdeutlicht Pense.

Dampf
Bereits an dieser Stelle spielt das Thema Reifung also eine gewichtige Rolle. Sind die rohen Stollen „reif“, gebacken zu werden, bedeckt Emrih Repaj die Backformen zunächst mit Deckeln – damit der sich in der Ofenhitze anschließend entwickelnde Dampf möglichst lange in der Form bleibe, um den Butterteig zu treiben. Zudem verhinderten die Abdeckungen, dass die späteren Stollen auf ihrer Oberseite zu dunkel werden.
Etwa eine Viertelstunde darauf muss Emrih Repaj sich sputen: Die auf der heißen Herdplatte des Ofens stehenden Formen zieht er mit der gesamten „Etage“ des Backofens heraus und entfernt die Deckel. „Dann müssen die Stollen noch einmal 20, 25 Minuten offen backen“, führt er aus.

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Jetzt noch der Puderzucker!

Bei allem Handwerk: Hinsichtlich der Beurteilung, wann die Stollen perfekt sind, verlässt sich der Bäcker nicht allein auf sein Gefühl: Mit einem Thermometer überprüft Repaj gegen Ende der Backzeit die Kerntemperatur in den Stollen – 96 Grad, das passt, mindestens 93 müssen sie haben. Geschickt stürzt der Bäcker die heißen Stollen aus den Formen, sie sollen einen kurzen Moment abkühlen.
Danach arbeiten Ole Pense und Emrih Repaj Hand in Hand: Der eine taucht die warmen Stollen in flüssige Butter, was zusätzlichen Geschmack gibt und die Gebäcke versiegelt, so dass Schimmelbildung über viele Wochen kein Thema ist. Der andere wälzt die sehr stark duftenden Backwerke in Zucker. Mehr passiert bis zum Folgetag nicht, die Stollen müssen auskühlen.

Dann ist wieder Martin Wingenbach dran: Er verpasst den Limburger Butterstollen noch eine dicke Schicht Puderzucker. „Ich persönlich finde den Stollen am besten kurz vor Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums“, beschreibt er währenddessen. „Mein Ideal-Stollen ist also im Oktober gekauft und an Heiligabend gegessen“, schmunzelt der Bäckermeister. Denn bis dahin, fügt er ernster an, „vermischt sich der feine Buttergeschmack mit dem der eingeweichten Früchte, dem Rum – das gibt immer mehr Geschmack.“

Während der Reifung sei eine gleichbleibende Temperatur („Der Stollen mag Schwankungen gar nicht“) wichtig, und idealerweise solle es außerdem dunkel und trocken sein. Wie bei guten Weinen, werde ein echter „Limburger Butterstollen“ dann Tag um Tag noch leckerer und leckerer. „Klar: Ein Stollen soll äußerlich an das in eine Windel gewickelte Jesuskind in der Krippe erinnern“, so der Bäckermeister. „Aber ein ganz wichtiger Aspekt für die Qualität eines handwerklichen Stollens steckt ja bereits im Namen ‚Stollen‘: Er wurde traditionell im Keller gelagert – wo es eben dunkel, gleichmäßig kühl und trocken ist und wo er geschmacklich noch zulegt, während der Stollen dort bis zum Verzehr aufbewahrt wird!“