Das Dinkel-Ruchmehl „Bio Ur-Schweizer“

Gemessen daran, wie die Brote in der Backstube des echten Bäckers sonst (wie das die Bäcker nennen) „aufgearbeitet“, also rund oder längs gewirkt und so in die gewünschte Form gebracht werden, sieht es wirklich ausgesprochen eigentümlich aus, was Martin Wingenbach da gerade mit dem Teig für den „Bio Ur-Schweizer“ tut! Es ist mehr ein „Falten“ des Teigs, das an Origami erinnert…

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Das Bio-Brot hat eine tolle Porung!

„Im Vordergrund steht bei diesem Produkt dessen Porung, daher benutzen wir eine andere Wirktechnik“, erläutert der Backstubenleiter, während er das Origami – Verzeihung: das Aufarbeiten des „Bio Ur-Schweizers“ fortsetzt. Dafür schlägt er die Außenseiten jeder für ein Brotlaib abgewogenen Menge Teig jeweils achtmal von außen nach innen. Warum ausgerechnet achtmal? Die Zahl, schmunzelt Wingenbach, habe sich bei Tests für das neue Brot aus der Bäckerei Huth einfach so ergeben: „Achtmal funktioniert am besten“.

Jedenfalls: Durch die ungewöhnliche Vorgehensweise sei die Spannung in der Kruste des späteren Brotes „wesentlich geringer“ als normalerweise. „Mit dem Falten bekomme ich wirklich nur die allernötigste Spannung in die Kruste, damit das Brot überhaupt seine Form behält“, führt Martin Wingenbach aus. Doch dafür könne sich die Krume entsprechend „frei“ entwickeln. Später, beim Backen, werde man sehen, wie sich der beabsichtigte Effekt auswirkt.

Wasser, Hefe, Salz, Bio-Dinkelmehl und Bio-Dinkel-Ruchmehl seien im „Bio Ur-Schweizer“, erklärt der Bäckermeister. Ruchmehl, so Recherchen der Redaktion „Zeit für Brot“, kennt man typischerweise vor allem in der Schweiz, wo Ruchmehle ihre Heimat haben. Anders als feine (weiße) Auszugsmehle, enthält Ruchmehl einen großen Anteil der Schalenschichten, die das Getreidekorn umgeben. Somit ist ein Brot aus Ruchmehl eigentlich ernährungs- technisch ähnlich wertvoll wie ein Vollkornbrot. Und sieht entsprechend rustikaler und etwas dunkler aus als etwa ein Weizenmischbrot. Das liege, verdeutlicht Martin Wingenbach, an dem hohen Ausmahlungsgrad des Dinkel-Ruchmehls. Er betrage 85 Prozent, das Mehl enthalte also wirklich eine größere Menge Getreideschale. Der höhere Anteil der Randschichten ergebe zudem einen etwas herberen Geschmack.

Üblicherweise seien Ruchmehle Weizenmehle – „das für den ‚Bio Ur-Schweizer‘ verwendete ist jedoch ein Dinkel-Ruchmehl, was wieder eine Besonderheit der Bäckerei Huth ist“, wie deren Backstubenleiter hervorhebt. Und „bio“ sei es ohnehin – wie das ganze neue Brot. Die Idee dazu hatten er und Brotsommelier Dominique Huth, weil beide Freunde in der Schweiz haben, bei den Eidgenossen gerne Urlaub machen. Und die dortige weite Verbreitung der Mehlart habe sie auf die Idee gebracht, ein solches Produkt zu entwickeln.

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Der Teig muss ordentlich bearbeitet werden.

Nahtstelle
Entwickelt haben sich derweil die Brote, die Martin Wingenbach vorhin „zusammen- gefaltet“ hatte – und nun werden sie in den heißen Ofen eingeschossen. Wobei: Zuvor dreht der Bäckermeister die rohen Laibe einmal um. Nach dem Aufarbeiten lagen sie auf dem „Schluss“. „Der Schluss ist die Nahtstelle, die entsteht, wenn der Teig in Form gebracht wird (…). Auf einer Seite des Teiglings entsteht dabei eine glatte Oberfläche, auf der gegenüberliegenden Seite entsteht der Schluss“ schreibt das Lexikon „Bäckerlatein“ dazu.

Oberfläche
Eben diese Nahtstelle kehrt Martin Wingenbach nach oben, ehe die Brote auf die heiße Herdplatte des Ofens geschoben werden. „Wir geben dann einfach Dampf drauf. Der Zug, über den er gezielt aus dem Ofen entweichen kann, wird nicht gezogen. Und ab da wird der ‚Ur-Schweizer‘ sich in gewisser Weise selbst überlassen“, sagt der Backstubenleiter, während er den Auszug mit den Broten in den Ofen schiebt. Dadurch und durch den nach oben zeigenden Schluss reiße das Brot auf – genau den Effekt wolle man so erreichen, unterstreicht der Bäcker. Denn zum einen bekomme die neue Kreation dadurch eine zum Ruchmehl passende, rustikale Optik. Zum anderen vergrößere sich durch das Reißen die Oberfläche des Brotes. Das sorge wiederum für noch mehr Geschmack in der Kruste des Bio-Produktes.
Henk van Heerden

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Das neue Ruchmehl-Brot „Bio Ur-Schweizer“