„Ich finde Brotbacken geil“

Johannes Klee liebt den Bäckerberuf, in dem er gern ein Leben lang bleiben würde

An die Ausbildung erst einmal ein Austauschjahr in den USA anschließen: davon träumen sicher nicht wenige junge Frauen und Männer. Für Johannes Klee, Bäckerlehrling beim echten Bäcker Huth, geht dieser Traum ab August in Erfüllung – einem Tipp vom Chef und einer erfolgreichen Bewerbung sei Dank. Mit Uwe Schmalenbach sprach der 20-jährige Ohrener, der ein Lehrjahr übersprungen hat, über Zukunftspläne, ungewohntes Interesse an seinem Job und die Liebe zum Handwerk.

Wie bist du zu deiner Ausbildung gekommen?

Ich habe erstmal angefangen zu studieren, Versicherung und Finanzen. Dann habe ich gemerkt, das ganze Lernen jeden Tag am Schreibtisch, das ist nicht meins. Ich wollte lieber was Handwerkliches machen. Bei Huth habe ich dann ein Praktikum absolviert vor zwei Jahren. Das hat mir mega-viel Spaß gemacht, sodass ich direkt einen Ausbildungsvertrag unterschrieben habe.

Wie ist das Arbeitsklima dort?

Der Zusammenhalt ist echt super, wie bei einer großen Familie. Selbst wenn man mal länger am Stück in der Backstube steht. Müdigkeit macht ja blöde, und wir blödeln dann eben gemeinsam rum (lacht). So sind zehn Stunden im Nu vorbei. Klar gibt es mal Unstimmigkeiten, aber das ist normal. Von den Backstubenleitern Eric Jung und Martin Wingenbach kann man zudem echt viel lernen. Ich lerne im Moment noch für meine Gesellenprüfung, das heißt, ich bleibe nach der Arbeit immer noch ein paar Stunden länger und übe noch mal Stangenweißbrot. Da kriegst du dann noch mehr gezeigt, und die nehmen sich auch die Zeit dafür.

Hast du vorher darüber nachgedacht, dass du arbeiten musst, wenn andere schlafen? Ihr fangt ja meistens gegen 21, 22 Uhr an.

Nee, das hat mir nie etwas ausgemacht, und ich habe auch nicht drüber nachgedacht. Ich bin sowieso ziemlich nachtaktiv. Dafür kann ich dann ausschlafen und nachmittags ins Freibad gehen. Am Anfang habe ich immer noch auf die Uhr geschaut, aber davon kriegt man ja schlechte Laune. Wenn man gar nicht daran denkt, wann man angefangen hat und wann Schluss ist, sondern einfach nur arbeitet, dann fällt die Zeit gar nicht mehr so auf – gerade wenn einem die Arbeit Spaß macht. Mein Vater hat mich am Anfang gefragt: „Sicher, dass du das machen willst? Das ist viel Akkordarbeit, und das kann auch mal Überstunden bedeuten.“ Aber das macht mir gar nichts aus. Außerdem kriegen wir im Quartal 600 Euro Zulage. Das ist für mich ein Ausgleich. Dann sage ich mir, wenn ich mal einen schlechten Tag habe mit langen Arbeitsstunden: Du bekommst sie ja auch bezahlt.

Diese Zulage bekommen alle Lehrlinge, oder?

Ja, man muss allerdings ein Berichtsheft führen und in der Schule einen Notendurchschnitt besser als 2,5 haben. Auch die Backstube bewertet einen und sagt: Ja, der hat mitgearbeitet oder: Nein, der hat nur rumgeschlurt. Dann wird das gestaffelt. Man kann zwischen 100 und 600 Euro bekommen. Bei mir hat es bis jetzt immer gepasst (lacht).

Gibt es etwas, was du besonders gerne machst?

Ja, die französische Bäckerei, Plunder machen, tourieren. Das „Pierre“ mache ich auch sehr gern. Das ist das beste Baguette, das ich je in meinem Leben gegessen habe! Und ich war eigentlich jeden Sommer in Frankreich. Generell finde ich Brotbacken geil, das liegt mir mehr als zum Beispiel eine Torte zu verzieren. Mit Lebensmitteln zu arbeiten macht unglaublich viel Spaß, zu sehen, man hat was geschafft.

Bist du also glücklich in deinem Beruf?

Auf jeden Fall, ich bin rundum zufrieden. Ich würde gern mein Leben lang im Bäckerberuf bleiben, aber man hat eben nicht so viel übrig am Ende des Monats. Wenn man irgendwann mal einen Meister oder Betriebswirt macht, sieht das anders aus, aber krasse Aufstiegschancen hat man in der  Backstube eher nicht. Mein Chef, der Dominique, möchte gern meine Ziele wissen; was ich mache, wenn ich aus Amerika wiederkomme. Aber ich kann mich jetzt noch nicht festlegen, ich möchte mir erst einmal Eindrücke in Amerika holen.

Was hat überhaupt zu deinem Aufenthalt in Amerika, der jetzt bald ansteht, geführt?

Ich bin eines Tages in die Backstube gekommen, da hat der Dominique mir einen Flyer in mein Fach gelegt und meinte: „Bewirb dich da mal.“ Er hat mir außerdem Fotos von seinem Jahr in den USA gezeigt und gesagt: „Ich war da und da und das Jahr hat richtig Spaß  gemacht.“ Organisiert wird das von deutscher Seite von der  GIZ, der „Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“. Die amerikanische Organisation, mit der die zusammenarbeiten, heißt „Cultural Vistas“. Da  gibt es so ein Austauschprogramm vom deutschen Bundestag und  dem US-amerikanischen Kongress, das PPP (Anm. d. Red.:  Parlamentarisches Patenschafts- Programm). Nachdem ich ein  Onlineformular ausgefüllt und ein Motivationsschreiben eingereicht hatte, wurde ich zu einer Auswahltagung eingeladen.  Dann wirst du dem Bundestagsabgeordneten deines Wahlkreises zugeteilt. Jeder Abgeordnete  hat drei Kandidaten vorliegen, nur einer kommt in das Programm. Ich hatte Glück und der Klaus-Peter Willsch (Anm. d. Red.: CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Rheingau- Taunus – Limburg) hat  ich für mich entschieden.

Es geht um ein ganzes Jahr?

Ja, das ist aufgesplittet in ein halbes Jahr College und ein halbes Jahr Arbeiten. Man hat außerdem Zeit zu reisen, etwas vom Land zu sehen. Los geht es am 2. August. Man kommt zu einer Gastfamilie und geht dann etwa zwölf Stunden in der Woche ins College und macht nebenher gemeinnützige Arbeit, lernt ein bisschen die Kultur  kennen, es ist ja ein K ulturaustausch.Da wird überhaupt kein Deutsch gesprochen. Ich habe jetzt drei, vier Jahre kein Englisch geredet, das wird bestimmt erstmal schwer (lacht).

Musst du den Austausch selbst bezahlen?

Nein, der Flug wird getragen, wie auch die Gastfamilie und die Seminare. Wir waren zur Vorbereitung auf Schloss Geisa bei Fulda, das hatten wir komplett für uns alleine, acht Tage lang, 25 Teilnehmer aus allen Bereichen. Insgesamt bekommen 75 Leute bundesweit dieses Stipendium. Dann gibt es noch ein Nachbereitungsseminar. Das einzige, das man selbst bezahlen muss, sind Freizeitausgaben. Und man muss der Gastfamilie in dem halben Jahr, in dem man arbeiten geht, knapp 225 Dollar bezahlen.

Was würdest du gerne mitbringen, wenn du zurückkommst?

Ich möchte mich selbst besser kennen lernen; wissen, was ich überhaupt will, denn das wackelt immer etwas bei mir. Ich will auch mehr über Bäckereien erfahren. Klar, wir Deutschen sind da Vorreiter, weil wir so eine große Produktauswahl haben. Die Amerikaner sind da etwas einfacher, so kann ich vielleicht denen auch etwas zeigen. „Was wissen die, was ich nicht weiß?“, und andersherum. Und mir geht es um den Kulturaustausch, zu zeigen, dass wir Deutschen nicht spießig sind.

Zurück nach Deutschland: Kannst du überhaupt noch bei anderen Bäckereien etwas kaufen, zumal du weißt, wie ein gutes Brot schmecken muss?

Ich habe das beim Seminar gemerkt. Wir haben Brot und Brötchen bekommen, und da haben die anderen schon meinen kritischen Blick gesehen und direkt nachgefragt. Die Brötchen waren sehr klein, überhaupt nicht aufgegangen, das Brot hatte teilweise Löcher oder war klebrig, das habe ich nicht gegessen. Klar, ich gehe gern auch mal bei einer anderen Bäckerei einkaufen, aber dann meistens nur Kaffee (lacht). Genauso gebe ich es aber auch weiter, wenn in unseren Geschäften mal etwas besser gemacht werden könnte. Dann nehme ich ein Foto auf und schicke das an die Backstube.

Wäre irgendwann eine eigene Bäckerei für dich denkbar?

Das wäre schon ein Traum, aber ich habe jetzt noch etwas Angst davor. Es wäre cool, seine eigenen Produkte und Ideen umzusetzen. Man braucht allerdings einen guten Standort und ein Alleinstellungsmerkmal. Und in dem Bereich gutes Personal zu finden, ist nicht einfach. Es ist so schade, dass durch die ganze Chemie das handwerkliche Können in Bäckereien verloren geht. Nur wenn du ohne Chemie arbeitest, bekommst du ein Gefühl für das Handwerk.

Wissen deine Freunde eigentlich, in was für einer Bäckerei du arbeitest? Dass es da viele Vorteile gibt, ihr eben keine Chemie verwendet oder du 600 Euro zusätzlich bekommst?

Klar, die feiern die Produkte, finden es gut, was ich mache  und wie ich mich einsetze, aber die könnten sich das niemals  selbst vorstellen. Ich habe sie schon in die Backstube eingeladen, aber es klappt nie so mit  der Zeit… Ich habe es übrigens selten erlebt, dass sich so viele Leute für mich und meinen Beruf interessiert haben wie bei dem Seminar in Geisa. Ich habe meine Geschichte da bestimmt  20-mal erzählt, weil so viel Interesse da war. Es herrscht ja immer noch das Vorurteil, Bäcker  seien dumm. Da wurde gefragt, warum ich in das Programm gekommen sei. Doch als Bäcker muss man ja ebenso mit dem Kopf arbeiten, sich Produktionsabläufe merken. Und alle wollten  sehen, wie ich ausschaue wenn ich arbeite, mit Schürze und Schiffchen, also habe ich Bilder und Videos gezeigt. Auch die Leiter hat das interessiert. Wir mussten dann auf Englischeine Präsentation halten. Da habe ich gesagt, dass ich in der Backstube arbeite und meinen Job liebe. Und das hat sich bei allen eingeprägt. Bei mir konnte sich später jeder erinnern: das ist der Bäcker.