Brot für genervte Pendler

Brot für genervte PendlerBäckereifachgeschäft in der Kapellenstraße trotz gesperrter Brücke täglich erreichbar.

Die Buslinie „LM 12“ verbindet Mengerskirchen mit Limburg. Dort ist am „ZOB Nord“ montags bis freitags um 5.22 Uhr Abfahrt. Doch die Haltestellen „Im Finken“, „Am Felckenberg“ und „Eisenfischer“ steuert der Bus, anders als sonst, derzeit nicht an. Grund ist die Sanierung und damit verbundene Vollsperrung der Brücke, die unweit der Huth-Meisterbackstube am Schlag die Autobahn 3 überquert und eigentlich Limburg mit Offheim verbindet. So ist der Stadtteil derzeit ein wenig „abgeschnitten“ von der Kernstadt. Die Versorgung mit hochwertigen Backwaren des echten Bäckers ist dennoch sichergestellt.

Das runde, weiß-rote Verkehrsschild 250, das „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ bedeutet, Absperrzäune, eine rechteckige Tafel mit dem Hinweis „Offheim ab 14.08.2017“: Dem Autofahrer, der den Offheimer Weg aus Richtung Brückenvorstadt bergan fährt, stellen sich diese Hindernisse, schon aus mehreren Hundert Metern Entfernung sichtbar, entgegen. Dicht, keine Chance, hier zum etwa drei Kilometer von der Kernstadt entfernten Offheim zu gelangen.

VerkehrsaderBrot für genervte Pendler

Für Pendler wie für Menschen, die zu Einkäufen und Erledigungen in die Innenstadt wollen, ist der Offheimer Weg eine wichtige Verkehrsader. Verständlich, dass eine Reihe Verkehrsteilnehmer genervt sind. Die Umleitung nach Offheim erfolgt über die B49, die Kreisel im dortigen Industriegebiet sind darum, gerade zur „Rush hour“ morgens und am späten Nachmittag, noch stärker belastet als sonst.

Mittendrin der Pavillon der Bäckerei Huth, zentral gelegen an der Kapellenstraße, die wiederum B49 und den Offheimer Weg beziehungsweise dessen Verlängerung Limburger Straße jenseits der gesperrten Brücke verbindet. Montag bis Freitag von sechs bis 19 Uhr ist hier geöffnet, am Samstag von sechs bis 13 Uhr. Und am Sonntag kommen zwischen sieben und elf Uhr ebenfalls eine Menge Menschen, um sich frische „Hütchen“ fürs Frühstück zu holen – die exzellente Parkplatzsituation am Pavillon macht das sehr bequem. „Ja, ja“, lacht Karmen Bartel, „bei uns kann man bis fast vor die Theke fahren.“ Und mit einem fahrbaren Untersatz sind die meisten Kunden unterwegs, die bei der Verkäuferin die Spezialitäten der Huth-Backstube holen: Berufstätige, die auf dem Weg zum Arbeitsplatz im Offheimer Industriegebiet oder auf dem Nachhauseweg am Pavillon anhalten und so trotz der Sperrung der Brücke ohne einen weiteren Umweg ihr Brot oder ein Stück Kuchen „beim Huth“ bekommen können. Mittags ist die Terrasse mit den huthorangen Sonnenschirmen ein echter Anziehungspunkt für Werktätige, die die Pause genießen, sich einen frischen Snack gönnen, dazu fair gehandelten Kaffee. „Den holen auch viele Arbeiter oder Lkw-Fahrer ganztags bei uns“, erzählt Karmen Bartel. „Und in den Mittagspausen sind unsere Panini – mit Öl, Käse, Schinken oder Salami, Pesto – der Renner.

Brot für genervte PendlerDie werden im Ofen immer frisch auf Bestellung warmgemacht, das mögen viele. Wenn es im Sommer heiß ist, essen die Fleißigen aus den Betrieben um uns herum besonders gerne unsere Salate.“ Gerade kommt ein Paketdienstfahrer herein, nimmt an einem der Holztische im Inneren des Pavillons Platz: eine Spinat-Feta-Ecke möchte er zur Stärkung, dazu einen „Körnerdiamanten“ mit Käse. Karmen Bartel bereitet das Mahl frisch zu. Andere Kunden vor ihrer Theke suchen hingegen bereits etwas für die Kaffeepause und freuen sich über „Hawaiischnitten“, Nussecken und „Tante Anna‘s Bienenstich“ aus der Huth-Konditorei.

„Junggesellenbrot“

„Also ich esse am liebsten das ‚Junggesellenbrot‘. Das ist top!“, wirft Christoph Nackowitsch ein. Er ist ebenfalls über die Umleitung zum Bäckereifachgeschäft in der Kapellenstraße gekommen – um zu putzen: Mit beeindruckender Präzision wischt der fröhliche Mann die großen Fensterflächen. Er kümmere sich um alle Scheiben in allen Verkaufsstellen von Huth, erzählt Nackowitsch. Und dass die des Pavillons „geschmeidig“ seien; ja, durchaus, da gebe es Unterschiede in der Qualität des Glases und seiner Oberflächenbeschaffenheit. Doch dann spricht er lieber wieder über die leckeren Produkte, auf die er sich nach getaner Arbeit bereits freut: „Die Brot-Sachen sind schon gut, das muss man sagen!“ Klar, da er beruflich oft in Huths Bäckereifachgeschäften zu tun habe, sehe er ständig, welche Qualität dort in Regalen und Körben zu finden ist – und kaufe sein Brot darum immer beim echten Bäcker, hebt Christoph Nackowitsch hervor.

Karmen Bartel ist unterdessen im Pavillon ebenso wenig untätig, wie der fleißige und gewissenhafte Fensterputzer draußen: Sie holt frische „Hütchen“ aus dem Ofen. „Wir backen hier ganztags frisch – alle Sorten Brötchen“, nickt die Verkäuferin, die als „Springerin“ arbeitet, also bei Urlaubs- und Krankheitsfällen zur Stelle ist und im Offheimer Bäckereifachgeschäft meist ein- bis zweimal die Woche, wie sie schildert. Brot für genervte Pendler„Hier sind die 20 Cent, die ich heute Morgen nicht hatte“, sagt da plötzlich eine junge Frau, die zur Tür hereinkommt. Am Morgen war die Dame auf dem Weg zur Arbeit bei Karmen Bartels Kollegin Ruth Stern. Das Kleingeld in der Börse reichte allerdings nicht ganz für die Verpflegung, die sie mit an ihren Arbeitplatz nehmen wollte. Verkäuferin Stern legte die 20 Cent aus, und erfreulicherweise kommt die Kundin wirklich wie versprochen auf dem Nachhauseweg nach Feierabend, um die „Schulden“ zu begleichen. „Das Verhältnis hier mit den Kunden ist super“, bestätigt Karmen Bartel auf die Frage, ob die Atmosphäre, der Umgang miteinander im Offheimer Bäckereifachgeschäft der Bäckerei Huth immer so familiär sei.

Mag die Brückensperrung auch für etwas längere Arbeitswege und stärker belastete Nerven sorgen: Im Pavillon in der Kapellenstraße freuen sich die Menschen über den knackigen Biss in frische Brötchen und das Aroma köstlicher auerteigbrote, versüßen sich mit Quarktorte und „Lutherrose“ die Frühstücks-, Mittags- und Kaffeepause oder eben das Arbeitsende.

Und so tragen Karmen Bartels und ihre Kolleginnen mit dem Huth-Bäckereifachgeschäft mitten im Industriegebiet irgendwie zur Entspannung aller bei, selbst wenn die Brückensperrung voraussichtlich noch bis Ende 2017 andauern wird.

Text und Fotos von Uwe Schmalenbach.