„Toll, dass ihr zurück seid!“

„Toll, dass ihr zurück seid!“
„Bei euch schmecken die Brötchen wenigstens“: das hört Yvonne Hünecke häufiger, wenn sie eine Tüte „Hüthchen“ über die Theke reicht.

Kunden freuen sich über Wiedereröffnung der Bäckerei in der Westerwaldstraße

Ja, sie habe schon alles aus dem üppig bestückten Brotregal, vom abwechslungsreichen Kuchenbuffet und aus dem breiten Brötchensortiment einmal probiert – und alles schmecke, nickt die Nachbarin. Jeden Tag kommt die direkt im Haus nebenan wohnende ältere Dame herüber, deckt sich mit Backwaren und Leckereien zum Kaffee ein. Sie ist also quasi eine Expertin für das seit rund fünf Wochen wieder geöffnete Fachgeschäft der Bäckerei Huth in der Limburger Westerwaldstraße.

„Sie sind ja wieder da! Das ist ja großartig“: Diesen Satz hört Yvonne Hünecke derzeit häufiger. Die Verkäuferin des echten Bäckers kümmert sich, neben zwei Kolleginnen, um das Wohl der Kunden im Bäckereifachgeschäft in der Brückenvorstadt, versorgt zudem die Gäste im integrierten, gemütlichen Café. „Es war ein Jahr lang geschlossen bei uns“, berichtet sie, „denn der Vermieter renovierte das alte Fachwerkhaus, in dem wir untergebracht sind. Es war hier alles so staubig, weil oben in den Wohnungen über uns die Handwerker fleißig waren – da hatte es keinen Zweck, aufzumachen.“

Das sieht seit Mitte Oktober anders aus: Die Renovierung ist abgeschlossen; toll ist das historische Bauwerk modernisiert worden, hat ein neues Dach bekommen, wurde isoliert, erhielt eine hochwertige Fassadenverkleidung mit Fliesen. Montags bis freitags ist das Bäckereifachgeschäft im Erdgeschoss nun wieder von sechs bis 13 Uhr geöffnet.

Wochenende

Auch am Wochenende sind Yvonne Hünecke und ihre Kolleginnen für die Kunden zur Stelle, füllen Theken und Regale am Samstag zwischen 6.30 und 12 Uhr. Und da frische Sonntagsbrötchen, die knackigen „Hüthchen“ des echten Bäckers bekanntlich das Highlight jedes Sonntagsfrühstücks sind, ist am siebten Tag der Woche ebenfalls „auf“, und zwar zwischen sieben und elf Uhr, so dass selbst Langschläfer auf frische Brötchen auf dem Frühstückstisch nicht verzichten müssen.

„Toll, dass ihr zurück seid!“
Die meisten Sorten im breitgefächerten Brötchensortiment werden fortlaufend frisch gebacken in der Westerwaldstraße.

Apropos frische Brötchen: Die werden im Bäckereifachgeschäft in der Westerwaldstraße fortlaufend gebacken, schildert Yvonne Hünecke. Mohn-, Sesam-, Käsebrötchen oder die „Hüthchen“ bekommt die Verkäuferin als frische Teiglinge direkt aus der nur wenige hundert Meter entfernt gelegenen Backstube des echten Bäckers am Schlag. In einem echten Steinofen werden sie anschließend genauso gebacken, wie in der Backstube – und nicht nur aufgewärmt oder aufgebacken.

Die ersten Kunden kommen bereits morgens um sechs, gleich bei Ladenöffnung, hat Hünecke beobachtet: „Das sind viele Menschen, die auf dem Weg zur Schaffen sind.“ Gegen Mittag seien es abermals viele Berufstätige, die nach der Frühoder Nachtschicht bereits wieder auf dem Nachhauseweg sind und etwas zum Abendessen oder schon fürs Frühstück am nächsten Morgen einkaufen wollten. Die langen Reihen mit Parkplätzen beidseits der Westerwaldstraße, auf denen man während des Bäckereibesuchs das Auto kostenlos abstellen kann, sind da natürlich eine von allen Motorisierten gerne genutzte Einrichtung.

Finden sich ausreichend Parkplätze direkt vor der Tür, gibt es zudem einen Metzger schräg gegenüber. Doch nicht nur die tollen Einkaufsmöglichkeiten ziehen die Kunden an, verrät Yvonne Hünecke: Das stimmungsvolle Café sei ein weiterer Grund für viele Menschen, die Bäckerei Huth in der Westerwaldstraße aufzusuchen. „In der Nachbarschaft gibt es eine Seniorenresidenz. Von dort sind viele liebe Menschen natürlich oft zum Kaffee da.“ Doch ebenso häufig sehe man junge Frauen, vielfach mit Kinderwagen, die sich mit einer Freundin auf eine Tasse Fair-Trade-Kaffee, der im Bäckereifachgeschäft aufgebrüht wird, treffen, dazu ein Stück „Death by chocolate“ genießen und sich trotz Figurbewusstseins darin einig sind, dass man für einen solchen Genuss auch einmal „sündigen“ darf…

Renovierung

Die Wände des Gebäudes, in dem Bäckerei und Café ihre Heimstatt gefunden haben, sind natürlich nach der Renovierung weiterhin krumm und schief; wie das halt in einem „arbeitenden“ Fachwerkhaus so ist. Irgendwie muss das auch so sein, macht es doch den besonderen Charme des anheimelnden Bauwerks aus. So ist die Gestaltung des Cafés mit seinen 20 Sitzplätzen gleichermaßen betont stimmungsvoll. Da glitzert ein alter Wasserkessel aus Kupfer. Dort erinnern Schwarz-Weiß- Fotos an gottlob überstandene, unschöne Momente wie das letzte große Lahnhochwasser. Eine schwere, hölzerne Truhe als Tisch, ein alter Schrank im Landhausstil, halbrunde Ledersessel: es geht überaus gemütlich zu.

„Toll, dass ihr zurück seid!“
Das Café ist wegen seiner gemütlichen Aufmachung und dem
zum Fachwerkhaus passenden Stil beliebt.

Das trifft indes nicht allein aufs Interieur zu: „Hier ist es sehr familiär – hier kann man mit jedem Kunden ein bisschen reden, die Leute haben noch Zeit!“, freut sich Yvonne Hünecke. Die Westerwaldstraße ist ja auch eine „gewachsene Nachbarschaft“. Als erste Querstraße nach Passieren der alten Lahnbrücke aus der Stadt heraus hatte die Gegend als Wohn- und Geschäftsquartier schon immer eine große Bedeutung. Bereits seit Mitte des 12. Jahrhunderts führte eine Brücke an der Stelle über den Fluss. Fast alle wichtigen Straßen verliefen darüber, weshalb Limburg dort im 14. Jahrhundert sogar ohne königliche Genehmigung einen Zoll erhob und sich damit einigen Ärger eintrug.

Die Eckparzelle Westerwaldund Weilburgerstraße ist laut Verzeichnis des Landesamts für Denkmalpflege Hessen mit hoher Wahrscheinlichkeit der Ort gewesen, an dem sich zwischen 1342 und Mitte des 16. Jahrhunderts die ehemalige Hofanlage des Klosters Marienstatt befand. An anderen Gebäuden wie etwa der Westerwaldstraße 28 oder dem steinernen Bildstock in Form einer Stele mit eingemeißelter Jahreszahl 1767, der auf Höhe der Westerwaldstraße 36 steht, ist die Geschichtsträchtigkeit des Viertels genauso bis heute ablesbar.

Und eines ist ganz sicher: Einen Bäcker hat es zur Versorgung der Menschen im Nahbereich in all den Jahrhunderten gegeben! Das „Gästehaus Priester“ ein paar Meter neben der Bäckerei Huth (dort gibt es, das nur nebenbei, zum Frühstück Brötchen aus dem benachbarten Bäckereifachgeschäft) wurde zum Beispiel 1859 von einem gewissen Heinrich Priester erworben – einem Bäckermeister…

„Zwangspause“

Die meisten Kunden interessieren sich für die Historie im Viertel nachvollziehbarerweise weniger – dafür umso mehr für die aktuelle Situation, wie Yvonne Hünecke beschreibt: „Viele Leute hier freuen sich: ‚Toll, dass ihr zurück seid!‘“ Denn, so erzählt die Verkäuferin, aufgrund der einjährigen, umbaubedingten „Zwangspause“ des echten Bäckers in der Westerwaldstraße, hatten die Kunden notgedrungen in Filialen von Bäckereiketten eingekauft. Doch die Erfahrungen waren mehrheitlich wohl nicht so großartig, wie die Reaktion zeigt, die Yvonne Hünecke nach der Wiedereröffnung von eben jenen Kunden hört: „Bei euch schmecken die Brötchen wenigstens!“

Text von Carola Nimischk