Hoch aromatisch, lange frisch

Hoch aromatisch, lange frischDinkel, die „Power-Saat“ Chia und ein hauseigener Sauerteig – fertig ist das „Goldbrot“

Man muss den ein wenig abgegriffenen Begriff „Erfolgsgeschichte“ einfach verwenden, wenn man etwas über die Dinkel- Chia-Kruste des echten Bäckers erzählen will. Erst seit gut eineinhalb Jahren, also vergleichsweise kurz, im Sortiment der Bäckerei Huth, hat es sich längst einen vorderen Platz in der Verkaufsstatistik erobert. Und soeben wurde es auf der jüngsten Brotprüfung mit der Höchstpunktzahl und einem „Gold“ prämiert. Tatsächlich steckt in dem kernigen Brot, dessen Mehlanteil zu 100 Prozent aus Dinkelvollkorn besteht, noch manche Besonderheit mehr als Chia, die „Wundersaat der Azteken“: Ein eigener Sauerteig macht Hefe entbehrlich, sorgt für Lockerung und das Aroma, das die Dinkel-Chia-Kruste derart beliebt gemacht hat.

Es mag optisch eher unscheinbar daherkommen: Gebacken wird dieses Brot in einer Kastenform, daher sein eher „rechteckiges“ Äußeres. Doch bevor Toni Abel einen „Stikken- Wagen“ voller Dinkel-Chia- Krusten am Ende der Backzeit aus dem Stikken-Ofen herausholen kann, passieren eine Menge kleiner Tricks, die der Dinkel-Chia-Kruste ihren besonderen Wert geben. „Wir benötigen Dinkelvollkornmehl, Wasser, Salz, selbstgeflockte Dinkelflocken, Chia-Samen, Sesam und Kartoffelflocken für dieses Brot“, verrät Martin Wingenbach, Backstubenleiter bei Huth. Fängt man mit der letztgenannten Zutat an, so wird schon deutlich: Die Fachleute in der Limburger Meisterbackstube haben sich wahrlich „einen Kopf gemacht“, um mit allein reinen, natürlich Zutaten ein Brot hinzubekommen, das schmeckt und „technologisch“ eine Menge bietet, wofür andernorts Chemie eingesetzt wird. „Die Kartoffelflocken zum Beispiel werden nur aus Kartoffeln gemacht und runden das Aroma ab“, erklärt Wingenbach einen Kniff. Ebenso speicherten sie Wasser im Teig, was wiederum dazu beitrage, dass die Dinkel-Chia-Kruste mit einer überragenden Frischhaltung auffalle – ohne synthetische Konservierungsstoffe.

Hoch aromatisch, lange frisch
Der in der vorherigen Nacht „angestellte“ Dinkelsauerteig wird mit allen anderen Zutaten vermischt. Die Milch- und Essigsäurebakterien im „Sauer“ sind maßgeblich für das Geschmackserlebnis beim soeben mit „Gold“ prämierten Brot.

Eiweiß

Chia schätzen die meisten Verbraucher zwar speziell wegen der der Saat zugeschriebenen positiven Wirkungen – enthalten sind darin Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, ebenso viele Ballaststoffe, Vitamine und natürliche Antioxidantien. Außerdem weist Chia mit 20 Prozent einen ausgesprochen hohen Eiweißanteil auf, noch dazu aus pflanzlichem Ursprung. Doch Chia ist daneben auch für die Frischhaltung der Dinkel- Chia-Kruste extrem hilfreich! Dazu verarbeiten die Limburger Bäcker die Saat gemeinsam mit Wasser, Salz und Dinkelflocken zu einem sogenannten „Quellstück“. Dieser Teigteil wird so bezeichnet, weil beim Verquellen große Mengen Wasser aufgenommen werden, die das Quellstück später langsam wieder im gebackenen Brot abgibt. 700 Gramm Chia-Samen können sage und schreibe 3,2 Kilogramm Wasser aufnehmen! „Und eben aufgrund dieser hohen Wasserbindung bringen die Chia-Samen eine Extra-Frischhaltung ins Brot“, sagt Martin Wingenbach. Was er hingegen bei der Zutatenliste verschwiegen hat, das ist ein „Geheimnis“ des Hauses, der Sauerteig für die Dinkel- Chia-Kruste – die eigentlich wichtigste Komponente fürs Gelingen dieses „Goldbrotes“.

„Wir verwenden in der Backstube sechs verschiedene, hauseigene Sauerteige für unsere Produkte. Und für die Dinkel-Chia-Kruste sorgt unsere Teigmacherin Julia Heimann dafür, dass sie in jeder Nacht einen speziellen Dinkel-Sauerteig vorrätig hat.“ Hierzu müsse die Fachfrau gut planen. Denn der Sauerteig benötigt eine Reifezeit von mindestens 18 Stunden. „Das Aroma dieses Brotes steht und fällt mit dem Sauerteig. Wenn der nicht passt, brauchst du gar nicht zu backen anfangen“, mahnt der Backstubenleiter. Der Sauerteig selbst erhält als Grundzutaten nur Mehl und wiederbelebtes Wasser, wie es beim echten Bäcker in alle Teige kommt. Einmal zugesetzte Mikroorganismen bewirken während der Reifezeit, dass aus dem Mehl, ihrer „Nahrung“, Milch und Essigsäure werden. Deren Verhältnis bestimmt das spätere Aroma des Brotes.

Sauerteig

Damit in der Backstube am Schlag in Limburg in jeder Nacht der für die Dinkel-Chia- Kruste notwendige Sauerteig zur Hand ist, verwendet Bäckerin Julia Heimann jeweils nur etwa 90 Prozent davon, die zum Hauptteig kommen. Die zurückbehaltenen zehn Prozent – das sogenannte „Anstellgut“, das nicht gebacken wird – nutzt sie, um für die Folgenacht mit hinzugegebenem frischen Mehl neuen Sauerteig reifen zu lassen – ein Prozess, der im Prinzip beinahe endlos fortgeführt werden kann und so für den stets gleichen Geschmack des prämierten Brotes sorgt. Erstaunlich, was man mit rein natürlichen Zutaten alles hinbekommen kann in so einem „schlichten“ Brot, das sich bei genauem Hinsehen jedoch als kleines Kunstwerk entpuppt, das durch viel handwerkliches Wissen entsteht. Okay: Und durch einige körperliche Arbeit, der sich Martin Wingenbach nun zuwenden muss. Mit seinen kräftigen Armen hebt der Bäckermeister den von Teigfrau Julia Heimann fertig gekneteten Teig aus dem Kessel, wuchtet ihn auf einen Holztisch und wiegt „Teigbrüche“ ab, die schwer genug für je eine spätere Dinkel-Chia- Kruste sind.

Hoch aromatisch, lange frisch
Toni Abel zieht die fertigen Dinkel-Chia-Krusten aus dem Ofen – genau im richtigen Moment.

Dinkelmalz

Diese Teigstücke arbeitet der Fachmann dann mit gekonnten, kreisenden Bewegungen auf, „faltet“ das Brot zweimal und formt es dabei eher länglich. Er legt es kurz auf ein Blech mit einem dünnen Wasserfilm. „Das Wasser ist ein natürlicher Kleber“, erläutert Wingenbach, und wälzt die Brote anschließend in einem Behältnis mit Dinkelmalzflocken. Danach gibt er die so „aufgearbeiteten“ rohe Brote in bereitstehende Kästen, die er zuvor mit Wachs eingesprüht hat, damit die Dinkel- Chia-Kruste nicht beim Backen anklebt.

Das Backen übernimmt nun Toni Abel. Er weiß genau, mit welcher Temperatur die Dinkel-Chia-Kruste an- und mit welcher etwas niedrigeren sie „fortgebacken“ werden muss. Der „Ofenmann“ hat zudem einen „siebten Sinn“, wann der optimale Zeitpunkt gekommen ist, die Brote wieder aus der Hitze herauszuholen. Dass Toni Abel dafür wirklich ein „Feeling“ besitzt, beweisen tagtäglich die hoch aromatischen, lange frischen und mit dem Getreide sowie der „Power-Saat“ besonders wertvollen Dinkel-Chia-Krusten in den Brotregalen des echten Bäckers.

Text Henk van Heerden

Quelle: Zeit für Brot