Am Ende geht es nicht um Tore

Der echte Bäcker Huth engagiert sich als Sponsor von Sportvereinen und speziell der Jugendarbeit in der Region

Die Kinder wollen anständige Trikots, wir müssen Gebühren für die Schiedsrichterzahlen, möchten in die Weiterbildung der Trainer investieren, müssen Material ersetzen – die Bälle halten heute gerade noch  zwei Jahre.“ Benedikt Kutzmann leitet den Jugendbereich des SC Offheim 1919 e. V. und macht deutlich, warum heute eigentlich kein Sportverein der Region mehr ohne Sponsoren auskommt. Eben hat die Albert Weil AG, wie die Bäckerei Huth in Limburg ansässig, einen Benefizcup auf dem Offheimer Sportplatz ausgerichtet. Auch der echte Bäcker ist Unterstützer des Sportclubs.

SC Offheim, VfR 07 Limburg, FC Waldbrunn, SV Rot-Weiß Hadamar: Insgesamt 24 Mannschaften verschiedener Altersklassen aus vier Vereinen der Region sind auf den zwei Kunstrasenplätzen aktiv beim ersten „Albert Weil Benefizcup“ (allesamt Vereine, die das Bauunternehmen auch außerhalb der Veranstaltung sponsert.) Circa 250 Kinder und Jugendliche zählt der JFV, der Jugendförderverein (JFV), in dem 2009 die Jugendfußballabteilungen des TuS Dietkirchen und des SC Offheim gebündelt wurden, der Gastgeber der Veranstaltung ist.

Fahrtkosten

Benedikt Kutzmann ist dessen Erster Vorstand und antwortet auf die Frage, ob inzwischen neben dem Engagement von Ehrenamtlichen Förderer aus der Wirtschaft zwingend erforderlich seien, um einen Verein betreiben zu können: „Richtig!“ So erwarteten externe Trainer heute mindestens eine Aufwandsentschädigung in Form von Fahrtkostenersatz. „Was mittlerweile auch sehr teuer geworden ist, ist das ganze Material. Die Fahrtkosten zu Auswärtsspielen sind ebenfalls gestiegen, und wir müssen auch die Kosten tragen, die der Deutsche Fußballbund uns aufbürdet“, führt der JFV-Vorstandaus.

Benedikt Kutzmann klatscht einen ausgewechselten Spieler ab. Ohne Sponsoren laufe heute selbst im Jugendbereich nichts mehr, wie er sagt.

Doch warum muss man Kinder und Jugendliche überhaupt in Vereinen auf Fußballplätze stellen, wenn die Rahmenbedingungen doch offenbar schwieriger(teurer) werden? Einfach ein bisschen kicken könnten sie, so wie einst der Autor auf von Kuhfladen übersäten Wiesen im Ländlichen, doch ebenso ohne organisierten Vereinsrahmen, oder?

„Wir leben heute in einer sehr ‚gepamperten‘ Gesellschaft, es gibt viele Einzelkinder, manche Kinder haben Schwierigkeiten im Umgang mit anderen, können Frustrationserlebnisse nur schwer wegstecken, drehen durch, meckern rum“, sagt Kutzmann. Deswegen sei eine qualifizierte Anleitung zur Bewegung und Ausbildung der Persönlichkeit im Sport ein guter Gegenpol. „Dann ist falsche Ernährung ein großes Problem, zu wenig Bewegung ohnehin. Wenn man das offensiv anspricht und mit den Eltern darüber redet, merken wir, dass viel passiert“, verdeutlicht der Jugendleiter. „Hier ist nichts Digitales!“, lacht Benedikt Kutzmann an der Seitenlinie auf dem Offheimer Sportplatz und fügt einen weiteren für die Entwicklung junger Menschen förderlichen Punkt hinzu: „Wenn man Kindern Aufgaben übergibt – ‚Ihr müsst selber den Platz aufbauen, mit sieben Mann ein Tor bewegen, euch selbständig aufwärmen – kriegt das mal hin‘ –, dann sieht man, dass sie sich wirklich entwickeln, auch im Umgang mit anderen. Das Thema Verantwortung übernehmen! Das ist echt toll.“

„Wenn ich jemanden mal beim Sport erlebt habe, kann man ihn anders einschätzen, manches Vorurteil überwinden“, meint Klaus Rohletter.

Der Ehrenamtler, der selbst als Trainer fungiert, warnt „übereifrige Eltern“ vor zu großem Druck auf ihren Nachwuchs, „die ihn wirklich Richtung Profikarriere drängen wollen. Wenn ich dann sehe, wie die ihre Jugend nur noch in Autos zu bringen, keine freie Minute mehr haben… Dann frage ich mich: Ist es das, was das Kind will, oder ist es nicht vielleicht das, was der Vater selbst nicht geschafft hat und darüber kompensiert?“ Er selbst gehe nicht mehr als Zuschauer in Stadien der Profiligen, schaue keine Bundesliga mehr im Fernsehen, weil er vieles an dem System kritisch sieht. „Ich gehe Fußball gucken hier mit den Kindern aus Limburg-Weilburg.“

Unterdessen treten beim Benefizcup von der F1 bis zur A1 alle Jugendmannschaften des SC Offheim, VfR 07 Limburg, FC Waldbrunn und SV Rot-Weiß Hadamar gegeneinander an. Bei der F- und E-Jugend dauern die Partien nur zwölf Minuten lang, die Begegnungen in der A-Jugend umfassen jeweils eine halbe Stunde Spielzeit.

Geschenke

Am Spielfeldrand steht auch Klaus Rohletter, der Vorstandsvorsitzende der Albert Weil AG, die den Benefizcup aus Anlass ihres 75-jährigen Bestehens ausrichtet, und schaut den jungen Menschen beim Kampf um den Ball zu. „Wenn man 75 wird, möchten einem alle etwas schenken. Wir wollten aber keine Geschenke haben, sondern haben gesagt, alle Partner, alle Mitarbeiter, die etwas schenken wollen, sollen dafür lieber sozialen Einrichtungen der Region Mittel zur Verfügung stellen“, erläutert er. Als Rohletter von einem heimischen Landtagsabgeordneten auf das Projekt „Hinterm Horizont macht Schule“ aufmerksam gemacht wurde, sei die Idee entstanden, das Firmenjubiläum und das Fußballturnier unter Beteiligung der vier von der Bauunternehmung unterstützten Vereine (siehe oben) mit dieser Initiative der „Udo Lindenberg Stiftung“ zu verbinden und somit ein Projekt zu fördern, das für die Arbeit mit Jugendlichen aus sozialbenachteiligten Teilen der Gesellschaft konzipiert wurde.

Die Besucher tragen mit Verzehr und Spenden zur Aktion bei.

Der örtlichen Goethe- und Theodor-Heuss-Schule in Limburg sagte die Weil AG daraufhin 10.000 Euro zu und verknüpfte die Aktion mit dem Turnier auf dem Offheimer Fußballplatz. An den Schulen soll mit den Mitteln ein Theaterprojekt der Lindenberg-Stiftung aufgebaut werden. Schüler können auf der Bühne wie dahinter mitwirken. Dabei werde, so die Stiftung, das Geschichts- und Demokratieverständnis vermittelt. Material der Bundeszentrale für politische Bildung ergänzt die Thematik in den Schulen.

Beim Benefizcup in Offheim konnte zusätzlich für „Hinterm Horizont macht Schule“ gespendet werden, der Reinerlös des Turniers fließt ins Vorhaben. Am Ende kommen alles in allem über 25.000 Euro zusammen.

Klaus Rohletter hält es, vom monetären Effekt abgesehen, für ganz wertvoll, dass im Rahmen eines Vereins gemeinsam ein Hobby wie der Fußball betrieben werde – „dass man miteinander etwas macht, nicht jeder für sich alleine mit dem Smartphone. Für junge Menschen ist das gemeinsame  Erleben, das zusammen Gewinnen und ebenso gemeinsam zu verkraften, dass man in der nächsten Partie oder am nächsten Tag auch wieder verlieren kann, wertvoll.“

Werte

In der Albert Weil AG gehe es ebenso um die gemeinschaftlichen Werte, daher passe das 75-jährige Jubiläum sehr gut zu einem solchen Sportevent und der Arbeit der Lindenberg-Stiftung, findet Rohletter. „In den 75 Jahren, die wir zusammenarbeiten, sind besondere Werte im Unternehmen entstanden – wie wir bauen, wie wir miteinander umgehen, mit Auftraggebern und Mitarbeitern. Und wir brauchen, wenn wir älter werden, auch junge Menschen, die sich auf unsere Werte und die in unserer Gesellschaft einlassen. Das muss man früh genug üben.“

Da die „Emotionalität einer Überweisung sehr übersichtlich“ sei, wie Klaus Rohletter es ausdrückt, habe sich sein Unternehmen entschieden, nicht einfach einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, sondern die Initiative mit dem Benefizcup zu verbinden, damit ein emotionales Erlebnis für alle hinzukomme.

„Stadionworscht“ zweifünfzig.
Fotos: Schmalenbach

Dass dazu Getränke und Verpflegung gehören, versteht sich von selbst. Während Rohletters Sohn Benedikt gerade „Stadionworscht grobb“ und „Stadionworscht fein“ brutzelt, rattert ein Stapel oranger Körbe neben den Spielfeldern übers Pflaster: Sascha Huth bringt Hunderte „Hüthchen“, die in der Backstube des echten Bäckers gebacken wurden, damit es zur „Worscht“ auch ein hochwertiges „Breedsche“ gibt. Die Erlöse aus dem Speisenverkauf gehen ebenfalls in die Spendensumme für „Hinterm Horizont macht Schule“ ein.

 

Freude

Die Bäckerei Huth fördert ohnehin den heimischen Sport nicht allein mit Backwaren und nicht nur zu besonderen Anlässen wie dem Benefizcup in Offheim. Ganzjährig engagiert sich der Handwerksbetrieb in der heimischen Region, zum Beispiel beim Offheimer SC; und wie wichtig so ein Einsatz (wie der vieler weiterer Akteure in Limburg) ist, das hatte Benedikt Kutzmann eingangs dargelegt. Sascha Huth fügt abschließend hinzu: „Grund für ein Sponsoring ist einfach auch die Freude, dass hier etwas passiert.“ Und damit meint der Bäckermeister sicher nicht das Tor, das im Hintergrund gerade bei der D1-Jugend-Partie zwischen Rot-Weiß Hadamar und dem FC Waldbrunn fällt.

Uwe Schmalenbach

Sascha Huth bringt „Hüthchen“ zum Sportgelände.