Erleben, „was das Wichtige ist“!

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Backstubenleiter Martin Wingenbach

Der Grundstein für Martin Wingenbachs berufliche Leidenschaft wurde bereits in ganz jungen Jahren gelegt.
Natürlich habe er – wie wohl jedes Kind – gerne mit der Oma Plätzchen gebacken, erinnert sich der Backstubenleiter der Bäckerei Huth. Doch es war vor allem ein jährliches „Backesfest“, das seine Begeisterung entfachte: „Mein Patenonkel hat dabei in einem Holzbackofen Brot gebacken. Und ich habe schon mit drei Jahren daneben gesessen und fand das faszinierend.“ Seit fast elf Jahren gehört der Westerwälder zum Team des echten Bäckers und hat daneben noch viele weitere Herzensangelegenheiten.

Martin Wingenbach trägt in der Bäckerei Huth nicht nur dazu bei, dass „Hüthchen“, „Körnerdiamant“ und Co. produziert werden, er ist darüber hinaus als Ausbildungsleiter ein Mentor für den Nachwuchs in der Backstube am Schlag. Das Konzept, das der Bäckerei Huth erst kürzlich den Titel „Ausbilder des Jahres“ einbrachte (die „Zeit für Brot“ berichtete), wurde maßgeblich von ihm entwickelt. Die jüngere Generation zu fördern, sei sein „absolutes Highlight“, betont der im Wald- brunner Ortsteil Hausen Lebende. „Ich finde es schön, jemandem etwas beizubringen. Das gibt mir ein gutes Gefühl.“

Entwicklung
Zudem ist der 34-jährige in der Backstube, die er gemeinsam mit Ole Pense leitet, federführend für die neuen Kreationen. Wann immer Dominique und Sascha Huth Ideen für weitere Spezialitäten haben, ist der für Produktentwicklung Zuständige gefragt: „Dann mache ich daraus etwas, das Hand und Fuß hat – was regelmäßig eine Herausforderung ist, weil manches nicht so schnell funktioniert, wie ich es gern hätte.“
Martin Wingenbach ist eben ein Perfektionist. „Seitdem ich eine eigene Familie habe, bin ich ein bisschen ,ruhiger‘ geworden“, nickt er lächelnd, „ansonsten ist es immer so gewesen: Egal, was ich angefangen habe, ich konnte keine Ruhe geben, bis ich zufrieden war oder die Bestätigung bekommen habe, dass ich gut bin in dem, was ich tue.“ Die Entschlossenheit, Neues zu lernen, zieht sich durch sein ganzes bisheriges Leben.

Bereits als Junge habe er gewusst, dass er Bäcker werden wolle, nicht zuletzt wegen des erwähnten „Backesfests“. Seine „besorgten“ Eltern hätten zunächst noch versucht, ihm den Beruf auszureden, galt dieser doch vor allem wegen der Arbeitszeiten als eher „undankbarer Job“ – wovon Wingenbachs Vater den Sohn überzeugen wollte: „Ein Kumpel von ihm hatte eine eigene Bäckerei. Da hieß es: ,Geh doch mal nachts da hin, dann kannst du dir das einmal angucken. Und so habe ich mit neun Jahren das erste Mal in der Backstube gestanden.“
Doch tatsächlich weckte dieses Erlebnis nur noch mehr Wingenbachs Enthusiasmus: „Seit dieser Nacht bin ich zu jeder Gelegenheit, jedes Wochenende und in den Ferien hingegangen. Das ging so weit, dass der Kumpel meines Vaters angerufen hat: ,Wenn Ostern ist, kann der Martin helfen kommen‘.“ Ganze Nächte habe er so in der Backstube verbracht. „Da war ich zehn. Was man sich da heute anhören müsste!“, lacht der passionierte Handwerker.

Logisch, dass er auch sein erstes Schulpraktikum in einer Bäckerei durchlaufen wollte. „Das habe ich dann in dem Betrieb gemacht, in dem ich später auch meine Ausbildung absolviert habe.“ Im Anschluss an das Praktikum wurde der zupackende Nachwuchsbäcker gleich „verpflichtet“: „Ich war jedes Wochenende da, habe in den Sommerferien vier bis fünf Wochen dort gearbeitet. Ich bin durchgängig geblieben, bis dann die Ausbildung begann.“

Ausbildung
Schon mit 15 Jahren nahm er seine dreijährige Bäckerlehre auf. „Ich habe in diesem ganz kleinen Betrieb in meinem Heimatort, in Waldbrunn-Hausen, gelernt. Das dauerte drei Jahre, und dann war ich zur Konditor-Ausbildung in Hachenburg, im Café Klein.“ Der „Vollständigkeit halber“ habe er sich für beide Berufe entschieden, seiner Meinung nach gehörten sie einfach zueinander.
Doch wer denkt, Martin Wingenbach hätte dies schon gereicht, der unterschätzt seine Zielstrebigkeit. Der Umtriebige wollte nun auch noch Meister werden – und zwar auf beiden Berufsfeldern gleichzeitig! „Ich habe den Bäckermeister gemacht und parallel dazu meinen Konditormeister. Das Ende meiner Konditorausbildung hat sich sogar schon überschnitten mit dem Anfang der Bäckermeisterschule. Und so war ich mit 21 Jahren fertig.“ Damit galt Martin Wingenbach seinerzeit als jüngster Bäcker- und Konditormeister Deutschlands. Eine Leistung, die ihm so leicht wohl niemand nachmacht. „Bislang habe ich noch nicht gehört, dass es einer schneller geschafft hat“, schmunzelt Wingenbach.
Trotz seiner doppelten Qualifikation beschloss er, sich auf den Bäckerberuf zu konzentrieren. Die Anfangsjahre seiner Berufstätigkeit bezeichnet der sympathische Westerwälder im Nachhinein als „wilde Reise“. In sieben Betrieben sei er tätig gewesen, bevor er zur Bäckerei Huth stieß. Seine Ausbildung verlief „top“, doch an den nachfolgenden Wirkungsstätten fand Wingenbach nie die Zufriedenheit, die er suchte.
Die Wendung kam über seinen Freund Eric Jung, den er in der Lehre kennengelernt hatte. Denn Jung war damals Backstubenleiter der Bäckerei Huth und „vermittelte“ den Freund nur zu gern an Dominique Huth. Nach einem erfolgreichen Bewerbungsgespräch konnte Wingenbach in der Backstube am Schlag anfangen. Nach nur einem halben Jahr wurde der erfahrene Bäcker dort zusätzlicher Backstubenleiter. Und er erlebte endlich die lang ersehnte berufliche Erfüllung.

Vaterschaft

Der zwischenmenschliche Umgang habe sein Übriges getan. „Ich glaube, dass sich der Gedanke an einen Wunsch-Arbeitsplatz erst in der Zeit formt, in der man arbeiten geht, und in der überarbeitest du den auch“, wirft der Bäckermeister nachdenklich ein. „Das Schöne ist, dass die Bäckerei Huth mit dir an diesem Gedanken arbeitet.“ Ziele, Wünsche werden gehört und ernst genommen. Unterstützung sei stets selbstverständlich. „Gerade was familiäre Themen betrifft. Da merkst du halt, was das Wichtige bei diesem Betrieb ist, dass du nicht nur ein Angestellter bist, eine ,Nummer‘.“ Als er im vergangenen Jahr erstmals Vater wurde, seien ihm von Dominique Huth beispielsweise sofort Freiräume ermöglicht worden, verdeutlicht Martin Wingenbach.
In seinem Leben bleibt so noch Raum für diverse Engagements. Der eifrige Bäcker ist unter anderem Mitglied des Prüfungsausschusses im Landkreis Limburg-Weilburg. „Ich bin einer von drei Prüfern, die die Gesellen- bzw. die Zwischenprüfungen abnehmen.“ Eine wunderbare und wichtige Aufgabe sei das für ihn. „Nebenbei“, ergänzt der Huth-Mitarbeiter lachend, mache er „noch ein bisschen Kommunalpolitik“. In seinem Wohnort Hausen ist er in einer kleinen Partei aktiv, die sehr heimatorientiert sei: Mit anderen „Hobby-Feierabend-Politikern“ treffe er Entscheidungen „pro Gemeinde und Bürger. Von ,Wo muss eine Straße gemacht werden?‘ bis ,Brauchen wir noch Stellen in den Kindergärten?‘“

Gesang
Kaum zu glauben, dass dem Familienvater daneben immer noch Zeit für ein Hobby bleibt, das ebenfalls ein fester Bestandteil seines Lebens ist. Denn: Fast so lange, wie er Bäcker ist, ist Martin Wingenbach auch als Musiker aktiv, hat schon als Jugendlicher in Bands gespielt. Lernte er in der Schulzeit zunächst Trompete, brachte er sich später selber das Gitarrespielen bei – lediglich anhand eines Buches. „In dem stand der Satz: ,Jeder kann singen.‘ Und das habe ich wörtlich genommen“, lacht Wingenbach. So entdeckte er zusätzlich seine Liebe zum Gesang, die bis heute anhält.
Hatte sich der Gitarrist, der in der Limburger Gruppe „The Suitcase Bucket Band“ spielt, bislang vor allem Rock- und Countrymusik verschrieben, hat er inzwischen abermals etwas Neues für sich gefunden: „Denn wie ich halt so bin – ich will ja doch früher oder später die Dinge auch richtig machen –, habe ich vor einem Jahr eine Ausbildung zum klassischen Operntenor angefangen.“ Ein „singender Darsteller“ sei er nun, bei der ein oder anderen Opern-Gala hat er sich bereits ausprobieren können. Mit dem „Tannhäuser“ wird der Kreative bald erstmals in einer richtigen Opernproduktion mitwirken.

Liebe
Nichtsdestotrotz übt natürlich auch seine „erste große Liebe“, das Backen, für ihn bis heute die gleiche, ungebrochene Faszination aus wie damals in seiner Kindheit. Allein der Geruch von frischem Brot begeistere ihn immer wieder aufs Neue. „Da denke ich mir dann: Genau das ist dein Job. So etwas willst du machen. Und das Wissen, dass es Menschen gibt, die morgens in ein Bäckereifachgeschäft kommen, den Geruch ebenfalls wahrnehmen und in dem Moment genauso glücklich sind wie ich, das ist schon schön.“
Text: Andra de Wit