Auch Laugengebäcke sind selbst gemacht

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Die rohen Teigling wer-den vor dem Backen mit Natronlauge überzogen!

Schlingen, schlagen oder werfen: Mehrere Wörter beschreiben die handwerkliche Tätigkeit, bei der ein Bäcker aus einem dünn gerollten Teigstrang eine Brezel formt. Sie gehört zu den Laugengebäcken, ebenso wie die Laugenstange mit und ohne Käse sowie der Kornknacker aus der Bäckerei Huth. Laugengebäcke stellen viele Bäckereien jedoch im Unterschied zum echten Bäcker nicht selbst her, sondern greifen auf „Convenience“ zurück.

105 Stück der „Butter Laugenstange, backfertig“ finden sich in einem Karton; 24 Stück enthält die Verpackungseinheit der „Laugenbrezel mit Schnitt, fertig gebacken“: beides Tiefkühlprodukte, die etwa die „FFS Fresh Food Services GmbH & Co. KG“ auf ihrer Website anbietet. Auf jener der „snackconnection GmbH“ heißt es zum Thema Laugengebäck unter anderem: „Dem Trend zu High-Convenience wurde insbe- sondere bei den bereits fertig gebackenen und hier verstärkt bei den vorgeschnittenen Produkten, wie beispielsweise den Laugen-Burger Buns, Laugen-Hotdog Buns und den Laugen-Baguettebrötchen Rechnung getragen. Die bereits fertig gebackenen Produkte müssen nur noch aufgetaut bzw. kurz regeneriert werden (…)“ Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb am 16. September 2019: „Der Brezelbäcker Ditsch erweitert seine Produktion. Am Montag hat das Unternehmen in seinem Werk im sachsen-anhaltischen Oranienbaum-Wörlitz eine neue Produktionslinie in Betrieb genommen, wie ein Sprecher mitteilte. Dort sollen 20.000 Aufback-Brezeln pro Stunde (sic!) vom Band laufen (…) 2018 stellte Ditsch in Deutschland nach eigenen Angaben 635 Millionen Stück her (…)“

Frische
Von solchen Produkten hält Backstubenleiter Martin Wingenbach nicht viel. Seiner Meinung nach schmecken Laugenbrezeln und -stangen am besten, wenn sie, wie alles in der Limburger Backstube am Schlag, täglich frisch und vollständig selbst hergestellt werden.
Dazu wird zunächst ein Teig aus Weizenmehl, Wasser, Hefe und Salz zubereitet, der dem für die „Hüthchen“ nicht unähnlich ist. „Allerdings ist er ein klein wenig fester, damit man später das rustikale Äußere unserer Laugengebäcke erhält“, beschreibt Wingenbach. Etwas mehr Fett (in Form von Margarine) als im Brötchenteig sei außerdem darin, „damit die Laugengebäcke bei der Aufarbeitung geschmeidiger sind.“ Diese Aufarbeitung besteht im Fall der Brezel eben darin, den Teig erst lang und dünn zu rollen und ihm dann mittels Schlingen die typische Form zu geben. Im weiteren Verlauf lassen die Bäcker die rohen Teiglinge durch die Laugenmaschine laufen. Darin strömt Natronlauge auf das Backgut und ebenso rieselt grobes Salz darüber. Die Natronlauge wird in einer Konzentration von elf Prozent angeliefert, in der Maschine jedoch mit Wasser auf eine vierprozentige Konzentration verdünnt. Außerdem werde sie, betont Martin Wingenbach, auf 40 Grad temperiert, „weil die Lauge so am gleichmäßigsten auf die Teiglinge geht.“

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Kein Fertigprodukt bei uns!

Reaktion
Während Bäckermeister Daniel Reutershan beim „Laugen“ Schutzbrille und Handschuhe gegen die ätzende Substanz trägt, passiert anschließend im Backofen etwas Erstaunliches: Das Gluten aus dem Weizen im Teig führt dazu, dass in einer chemischen Reaktion mit der Lauge Aminosäure freigesetzt wird. Die wiederum führt mit den Zuckern des Weizens zur sogenannten „Maillard-Reaktion“, die die Oberfläche der Laugengebäcke nach dem Backvorgang braun glänzen und die Lauge harmlos werden lässt. Zudem entsteht dabei der typische, kräftige Geschmack eines Laugengebäcks. „Die Brezeln und Laugenstangen würden dadurch auch dann leicht salzig schmecken, wenn wir kein Salz mehr darüber streuen würden“, erklärt Martin Wingenbach.
Seine liebste Art, eine Laugenbrezel oder -stange zu verzehren, sei „mit ordentlich Butter darauf. Aber auch mit Frischkäse und Schnittlauch, wie es das Laugengebäck als Snack in unseren Bäckereifachgeschäften gibt, ist es ein absoluter Genuss“, schwärmt der Bäckermeister.
Henk van Heerden