Praktikanten aus Belgien bei Bäckerei Huth

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Es war eine schöne Zeit mit euch!

Die Bäckerei Huth ist als Handwerksbetrieb international vernetzt und immer wieder das Ziel von Menschen aus aller Welt, die in der Backstube am Schlag Erfahrungen sammeln wollen. Studenten oder Lehrlinge von Irland bis Indonesien kamen schon nach Limburg, um zu erfahren, wie beim echten Bäcker das UNESCO-Welterbe „Deutsche Brotkultur“ gelebt wird. Auch der 18-jährige Joppe Florissoone (rechts) und der 19-jährige Gerrit Pauwelyn hatten diese Absicht: Die beiden jungen Belgier haben ein acht Wochen dauerndes Praktikum absolviert. Dieses ist mittlerweile beendet, und die vielen Erfahrungen und Eindrücke, die die sympathischen Schüler an der Seite des Huth-Teams sammeln konnten, nehmen sie dankbar mit heim.

Echtes Handwerk, gute Zutaten, keine „Convenience“ – die beiden Belgier sind sichtlich begeistert von den Produkten und der Arbeitsweise des echten Bäckers. „Wir haben hier eine Menge gelernt, und das ist toll. Die Bäckerei Huth ist ein schöner Ort zum Arbeiten“, hebt Joppe hervor. Der Aufenthalt in Limburg habe sich sehr für sie gelohnt. Die Huth-Praktikanten stammen aus der belgischen Provinz Westflandern, Joppe aus Ieper und Gerrit aus Langemark-Poelkapelle. In ihrer Heimat arbeiten die Heranwachsenden trotz ihres jungen Alters seit langem in Backstuben und Versuchsküchen, sie lernen das Bäckerhandwerk an der Fachschule „Ter Groene Poorte“ in Brügge. In Belgien sei das Schulsystem anders als hierzulande, erklärt Joppe: Im Nachbarland besucht man zunächst sechs Schuljahre lang die Grundschule und wechselt anschließend auf die Sekundarstufe. Dort besteht die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Unterrichtsformen zu wählen, und so gibt es auch einen berufsbildenden Schwerpunkt, für den sich die zwei entschieden haben. „Die deutsche Berufsschule ist für uns dann die Sekundarschule“, verdeutlicht Joppe.

Wunschberuf
Auf diese Weise ist es belgischen Schülern schon früh möglich, sich in ihren Wunsch- berufen ausbilden zu lassen. Joppe und Gerrit waren zwölf Jahre alt, als sie zur Bäckerschule wechselten. Er habe sich bereits im Alter von zehn Jahren mit Bäckereien beschäftigt, erzählt Joppe: „Und dann dachte ich: ,Wow, das gefällt mir, das ist ein toller Job. Warum nicht eine Ausbildung darin machen?‘“
Ihre Lehre – sie dauert mit sechs Jahren erheblich länger als in Deutschland – beenden die Flamen in diesem Jahr. Sie haben bereits ihr Diplom erlangt. Im Rahmen ihrer Ausbildung müssen die Schüler aber ebenso mehrere Praktika absolvieren, und eines davon hat sie Ende April nach Limburg geführt. Die Bäckerei Huth ist ein Partnerbetrieb der Schule in Brügge, gleichwohl standen weitere Unternehmen in Deutschland und dem Ausland zur Wahl, fügt Joppe an. „Aber wir dachten uns: ,Die ist schön, diese Bäckerei Huth.‘“
Diese habe sie gut auf das Arbeitsleben vorbereitet, resümiert der 18-jährige. Insbesondere wegen der vielen Besonderheiten und Herausforderungen: „Hier wird mehr mit Maschinen gearbeitet als bei uns. Vieles war neu. Die Sprache, die Menschen, das Land – und dann Maschinen, die man bedienen muss. Wir hatten es nach zwei, drei Wochen raus. Nur die Sprache ist ein bisschen schwierig, für uns wurde daher auf Englisch gesprochen“, schmunzelt der Flame.

Brot und Brötchen werden in Belgien sehr geschätzt, es gebe von beiden enorm viele Sorten, schildert Gerrit: „Bei uns daheim wird jeden Tag Brot gekauft.“ Es gebe aber Unterschiede zwischen belgischen und deutschen Produkten. „Das Gebäck ist in Belgien zum Beispiel anders“, meint der 19-Jährige. „Nicht so mächtig“, fügt Joppe lachend hinzu. Die jungen Bäcker waren überrascht von den großen Mengen, die in der Limburger Backstube handwerklich produziert werden. „Hier arbeiten sie für 16 Läden“, staunt Joppe. In Belgien hingegen habe ein Bäckereibetrieb meist nur ein Fachgeschäft mit angeschlossener Backstube. Für die Schüler war es ungewöhnlich, dass etliches in der Backstube des echten Bäckers schon für den nächsten Produktionstag vorbereitet wird. Ebenso verblüfft habe sie, dass Huth-Fachgeschäfte Cafébereiche hätten, ein weiterer Unterschied zu ihrer Heimat. „Das ist schön. Du kannst etwas essen, Kaffee trinken und siehst dabei die Produkte“, bewertet Joppe.

Aromazellen
Im Limburger Familienbetrieb hat die beiden besonders die Herstellung von deutschen Spezialitäten wie Brezeln (siehe Seite 4 in der aktuellen Zeit für Brot) fasziniert. „Das war schwierig. Die anderen haben sie so schnell gedreht, und du stehst nur da und denkst: ,Langsamer, bitte‘“, lacht Joppe. Auf der anderen Seite benötigten die Huth-Backwaren enorm viel Zeit, etwa beim Backen. „Bei uns ist das Brot viel kürzer im Ofen. Hier bekommt es mehr Backzeit“, vergleicht Joppe. Das liege sicherlich daran, dass Backwaren in seinem Land eher weicher und fluffiger seien als in Deutschland, wo das Brot kompakter beschaffen sei und rustikaler schmecke. „Auch Aroma- zellen kannten wir nicht. So etwas haben wir in Belgien nicht.“ In Aromazellen reifen Huth-Brote in „Langzeitführung“, um ihren hocharomatischen Geschmack auszubilden. „Und das funktioniert gut, der Geschmack ist toll“, findet Joppe.

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Die beiden Praktikanten hatten viel Freude in Limburg.

Apropos: Natürlich haben die beiden Praktikanten Lieblingsprodukte der Bäckerei Huth. Gerrit hebt das „Baguette Pierre“ und das „Junggesellenbrot“ hervor. „Für mich ist es das ,Bio Ur-Schweizer‘. Bei dem Brot habe ich nur ,Wow‘ gedacht. Das ist ein schönes Produkt“, urteilt Joppe über die Huth-Kreation mit Dinkel-Ruchmehl. „Aber alle Brote der Bäckerei Huth sind gut. Der Geschmack ist anders als in Belgien, sehr intensiv. Ich mochte das“, fasst Joppe zusammen.

Die Bäckerschüler haben bewusst die Entscheidung getroffen, ihr Praktikum im Ausland zu absolvieren und bereuen es keineswegs. Wenngleich: Ein wenig habe sie irgendwann das Heimweh gepackt, erinnern sich die Flamen, die im Limburger Zentrum gewohnt haben. „Ein bisschen einsam“ habe man sich schon manchmal gefühlt, gibt Gerrit zu. „Man ist weit weg von zu Hause, von den Eltern, den Freunden“, stimmt Joppe zu. Doch dafür habe man einiges gelernt und eine gute Zeit verbracht. „Es ist eine wunderschöne Stadt, mit so vielen alten Gebäuden. Und wir waren einmal auch in Frankfurt.“ Die beiden Klassenkameraden haben manches miteinander unternommen, die Eltern kamen ebenfalls zu Besuch.

Atmosphäre
Joppe haben übrigens die Umgangsformen der Deutschen gefallen: „Die Menschen sind hier sehr höflich. Und sie lieben ihre Arbeit.“ Die Atmosphäre in der Bäckerei Huth sei überaus kameradschaftlich gewesen. „Bei uns ist es so, dass du zur Arbeit gehst, weil du arbeiten musst. Aber hier reden die Menschen miteinander. Sie fragen sich: ,Wie war dein Tag? Wie war dein Wochenende?‘ Sie scherzen miteinander. Und es gibt Teamwork, wie bei der Bäckerei Huth: Ich glaube, weil sie dort so hart und schnell arbeiten, halten sie so toll zusammen. Die Stimmung hat mir noch besser gefallen als in der Bäckerei, in der ich zu Hause arbeite.“
Gegen Ende des Praktikums kam bei einer Aktion in der Backstube sogar besonders ausgelassene Stimmung auf: Das Team bereitete zu Ehren der beiden Schüler mit diesen typisch belgische Nahrungsmittel zu. „Das war total schön für uns, belgische Produkte für Deutsche zu machen“, freut sich Joppe noch immer. Neben Brot und Gebäck durfte dabei „Broodpudding“ nicht fehlen – eine flämische Spezialität aus Brotresten, Rosinen, Eiern und Zucker.

Ergänzung
Gerrit und Joppe hoffen, dass sie irgendwann ihre eigenen Bäckereien eröffnen können. Betriebswirtschaftliches „Know-how“ haben sie gewiss, ökonomische Unterrichtseinheiten gehörten zu ihrer Ausbildung. Die Erfahrungen beim echten Bäcker seien eine wertvolle Ergänzung, finden die beiden. Sie haben reichlich Anregungen für Backwaren mit nach Hause nehmen können. „In unser Heimatland – und später vielleicht in unsere eigenen Bäckereien“, lächelt Joppe.