„Wie ein Sechser im Lotto“

„Wie ein Sechser im Lotto“Verkäuferin Manusha Marashi schätzt familiäre Atmosphäre bei Huth

Es ist mein zweiter Haushalt“, sagt Manusha Marashi über das Bäckereifachgeschäft am Offheimer Weg in Limburg. „Ich führe es wie meinen eigenen Laden. Und ich möchte bis zum Rentenalter bleiben!“ Das besonders warme, enge Miteinander macht den Alltag der Huth-Mitarbeiterin aus: Dieses möchte sie auch an ihre Kunden weitergeben, denn es zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben – nicht erst, seit sie vor elf Jahren in der Traditionsbäckerei angefangen hat.

Im einstigen Jugoslawien, im Kosovo, geboren, kam Manusha Marashi Anfang der 1980er Jahre als Kind von „Gastarbeitern“ nach Deutschland, musste sich in der neuen, ungewohnten Umgebung zurechtfinden. Dass ihr dies leicht gelang, verdankt sie zu einem großen Teil der Vermieterin des elterlichen Heims. Denn diese schloss Marashi gleich in ihr Herz und wurde so zu der „deutschen Oma“, wie sie bis heute von der 50-Jährigen liebevoll bezeichnet wird. „Sie hat mich wie ein eigenes Kind behandelt, wie eine Ziehtochter.“ Dadurch wurde ihr „die ganze Zukunft“ von der großherzigen Dame ermöglicht.

Dialekt

Dies war jedoch kein Grund für Marashi, ihr Glück als selbstverständlich anzusehen. Integration könne immer positiv verlaufen, findet sie, man müsse aber etwas dafür tun: „Die Oma hat immer gesagt: ,Du lebst in diesem Land, also musst du auch die Sprache von A bis Z beherrschen’. Sprache ist das Allerwichtigste.“ Dass Manusha Marashis Wiege nicht an der Lahn stand, nicht in Eschhofen oder Linter, hört man beim besten Willen nicht: Sie spricht mit dem in der hessischen Region stark ausgeprägten Dialekt.

Zu der herzlichen, neuen Bekanntschaft kam in Deutschland auch ein landwirtschaftlich geprägtes Umfeld, das ihr eine schöne Kindheit und intensive Erfahrungen brachte: „Wir haben geschlachtet, wir haben abends die Milch für das Abendessen frisch gemolken und trinken können, selber unser Brot im Steinofen gebacken“, blickt die Huth-Mitarbeiterin versonnen zurück. Daher ist es umso verständlicher, dass Ernährung und Lebensmittelqualität
für die 50-Jährige eine große Rolle spielen. Besonders ihr Vater hatte darauf immer einen großen Einfluss. Der pflege nämlich stets zu sagen, dass man zwar an Kleidung und Luxus sparen könne, „aber nie an Essen.“ Wie konsequent, dass sie heute bei dem echten Bäcker angestellt ist, wo noch ohne Zusatzstoffe gearbeitet wird.

„Man muss gerade die junge Generation wieder an Produkte gewöhnen, die ohne Chemie auskommen und ihr Bewusstsein für Qualität schärfen. Das liegt in unserer Hand als Verkäufer“, findet Manusha Marashi. Sie wünsche sich Wertschätzung für die Tatsache, „dass wir ohne Fertigmischung backen, dass es so wie das alte Handwerk früher war, auch heute ist“ – und dabei nicht einmal teurer, wie es viele Menschen fälschlicherweise denken würden. Ihren Beruf nimmt die Beschäftigte – man spürt es deutlich – sehr ernst. Bevor sie zur Bäckerei Huth kam, arbeitete sie sechs Jahre lang im Verkauf bei Karstadt. Dort hatte sie auch ihre Ausbildung absolviert. Als sie dann zu der Traditionsbäckerei stieß, musste sie sich erst einmal an die warenkundliche Veränderung gewöhnen. „Aber man wird ja geschult“, merkt die verantwortungsbewusste Mitarbeiterin gelassen an. Außerdem sei es auch eine Sache der Einstellung: „Ein guter Verkäufer kann alles verkaufen – das ist meine Devise. Egal, was für eine Ware es ist. Man muss nur hinter dem Produkt stehen.“ Ihren Beruf führe sie „mit Leib und Seele“ aus.

„Wie ein Sechser im Lotto“
„Ich mache lieber eine halbe Stunde länger und lasse den Kunden dann in Ruhe seinen Kaffee austrinken, gebe ihm das Gefühl, dass er willkommen ist“, erklärt Manusha Marashi. Fotos: Schmalenbach

Umgang

Die wichtigste Komponente für Manusha Marashis Arbeitsalltag ist der freundschaftliche, familiäre Umgang des Teams. Schon während ihrer Tätigkeit bei Karstadt durfte sie das feststellen. „Ich habe heute noch ein gutes Verhältnis zu meinem ehemaligen Chef“, erzählt sie. Denn auch bei ihrer vorherigen Anstellung sei das Persönliche im Vordergrund gewesen, das Miteinander. „Und das ist hier bei Huth ja genauso.“ Da wäre zum Beispiel die „ganz tolle Kollegin“, die im Betrieb die Dienstpläne gestaltet: „Sie gibt sich immer Mühe, die Wünsche aller Personen hier zu berücksichtigen und jedem gerecht zu werden.“ Oder der fast achtzigjährige Kunde, der sie erst heute wieder im Laden besucht habe und dafür extra mit dem Fahrrad aus Hadamar gekommen ist – in dem dortigen Bäckereifachgeschäft von Huth hatte Marashi gearbeitet, bis sie letztes Jahr zum Offheimer Weg stieß. Und natürlich sei ihr Arbeitgeber ebenfalls immer für die Mitarbeiter da, biete Hilfe an, kümmere sich. „Das ist nicht selbstverständlich“, stellt die dreifache Mutter fest. So habe es beispielsweise „überhaupt keine Debatten“ gegeben, als sie einmal über einen längeren Zeitraum krank war.

Oft berichte sie Kunden von dem Schreckensmoment vor vielen Jahren, als sie erfuhr, dass ihre Tochter während einer Reise mit Verdacht auf Blinddarmentzündung in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Doch wer wie Manusha Marashi von fünf Uhr bis 13.30 Uhr arbeitet, kann sich natürlich nicht einfach ins Auto setzen und losfahren. „Ich hätte am nächsten Tag Dienst gehabt, hätte aufschließen müssen“, schildert die Bäckereifachverkäuferin die dramatische Situation. „Ich rief also abends bei Herrn Huth an. Er sagte: ,Sie fahren zu Ihrer Tochter, alles andere überlassen Sie mir‘.“ Außerdem habe er ihr einen weiteren Tag Urlaub angeboten. „Und das hat sich bei mir so eingeprägt“, strahlt sie noch immer sichtlich gerührt von der Anteilnahme ihres Chefs.

Familie

„Ich bin bei der Bäckerei Huth bei einer tollen Familie untergekommen“, resümiert sie daher glücklich. „Für mich ist das wie ein Sechser im Lotto.“ Den Grundstein für ihre eigene Familie legte sie vor rund 30 Jahren. Da lernte sie im Urlaub in der alten Heimat ihren – ebenfalls aus dem Kosovo stammenden – heutigen Ehemann kennen. Nachdem sie ein Paar wurden, zog er schon bald zu ihr nach Deutschland. „Ich habe den importiert“, scherzt die gutgelaunte Hessin selbstironisch. Ihr Humor ist bewundernswert, denn leicht war es für das Ehepaar wahrlich nicht immer: „Es gab für uns sehr viele Hürden zu bewältigen. Er war jugoslawischer Staatsbürger und bekam nicht sofort eine Aufenthaltsgenehmigung, obwohl er einen Arbeitsplatz sicher hatte. Doch er durfte zwei Jahre lang nicht arbeiten gehen, so musste ich dann unsere Familie ernähren. Ich hatte eine Aufenthaltsberechtigung, mein Mann nur eine Duldung, das war ganz schlimm zu dieser Zeit“, blickt die 50-Jährige nachdenklich zurück. Zwei Jahre später beendete sie dann ihre Beschäftigung bei Karstadt zugunsten ihres Mannes und kümmerte sich um das erste gemeinsame Kind. Denn: „Ich musste meine Arbeitsgenehmigung erst aufgeben, damit mein Mann arbeiten gehen konnte – damals war das so.“ Glück erlebte die junge Familie jedoch abermals durch die geliebte „Oma“ Marashis, die die junge Familie mietfrei in ihrem Haus in Waldbrunn-Lahr wohnen ließ und es der Ziehtochter später sogar vererbte!

Wertschätzung

Noch heute lebt Marashi mit ihrer Familie dort. „Wir haben die Oma bis zu ihrem Tod gepflegt“, erinnert sie sich. Wertschätzung ist für sie das höchste Ideal, sowohl bei ihrem Umgang mit Menschen als auch mit den Huth-Produkten. Selbst erfuhr sie durch ihren Vater, der ihr beigebracht habe, „dass man als Mädchen nicht einfach zu Hause bleibt, sondern lernt, lernt, lernt“, durch ihre „Familie“ in der Bäckerei – oder eben durch die „Oma“. Und genau diesen Respekt möchte die Mitarbeiterin auch an die Menschen weitergeben, die das Fachgeschäft am Offheimer Weg betreten: „Achtung wird heutzutage oft vergessen, aber die darf nicht verloren gehen. Ich unterhalte mich gern und beziehe die Kundschaft mit ein, man soll sich bei mir wohl fühlen, wie zu Hause. Ich versuche die Leute immer zu behandeln, wie ich selber behandelt werden will“, so die freundliche Verkäuferin.

„Man muss immer ein offenes Ohr haben, zuhören“, erklärt Manusha Marashi den für sie wichtigen Teil ihres Berufs und bringt es lachend auf den Punkt: „Ich bin Seelsorger, ich bin Verkäuferin, ich bin alle Berufe in einem.“ Denn auch das
sei Wertschätzung.

Text Andra de Wit

Quelle: Zeit für Brot