Schlucken oder spucken

Schlucken oder spucken
„Bei Tee löst sich in einer Minute das gesamte Koffein“, schildert Karen Lässig. Tee enthalte die  psychoaktive Substanz genauso wie Kaffee.

Bei ihrem Besuch in der Kaffeerösterei Darboven lernen echte Bäcker auch viel über Tee!

Dominique und Sascha Huth sind bei ihrem Besuch der eigentlich für Kaffee bekannten Rösterei Darboven in Hamburg sichtlich beeindruckt. Nach wenigen Minuten stellt man sich selbst unwillkürlich die Frage: Ob es wohl noch jemanden gibt, der so eine enorme Ahnung von Tee hat wie Susanne Albrecht? Was die Leiterin der Darboven-Teeabteilung alles weiß über Anbaugebiete, Zahlen des weltweiten Handels mit den grünen und schwarzen Blättern, Pflückung, Fermentierung, Rückstandskontrolle oder Sortenvielfalt!

Na, vielleicht ist Karen Lässig dieser Mensch, der ähnlich viel von Rotbusch, Earl Grey oder dem „First Flush“ versteht. Zusammen gewähren die beiden Frauen Dominique und Sascha Huth einen unglaublich faszinierenden Einblick in ihren (Arbeits-) Alltag. Der fängt in der Früh stets gleich an: mit Verkosten. Was das Haus Darboven an Tee verlässt und etwa in den Fachgeschäften und Cafés des echten Bäckers ins Glas kommt, haben die beiden „Teatasterinnen“ (so die offizielle Berufsbezeichnung) zuvor probiert – und für gut befunden. Das bedeutet eine Menge Aufwand: Über 100 lose Teesorten gibt es unter dem gleichnamigen Markennamen in den zu Darboven gehörenden „Eilles“-Fachgeschäften; 250 für die Gastronomie und Bäcker kommen hinzu.

Begutachtung

Doch auch das Ausgangsmaterial wird, neben Überprüfungen im Labor, von Albrecht und Lässig genauestens begutachtet; „alles, was rein kommt und ehe es wieder rausgeht“, wie Tee-Chefin Susanne Albrecht nordisch knackig formuliert. Klingt lässig, ist aber eine nicht zu überschätzende, sensorische Leistung! Denn die beiden Expertinnen befassen sich insgesamt mit rund 600 Teesorten, rechnet man alles zusammen. Zwei Dutzend haben sie für Dominique und Sascha Huth zum Kosten aufgebrüht. Klasse sieht das Farbenspiel der von hellgelb, über dunkelrot, bis fast schwarz reichenden, dampfenden Flüssigkeiten in den Eilles- Teegläsern aus! „Wir fangen an mit zwei Grüntees, die aus China kommen“, erklärt Susanne Albrecht. Wie der heiße Aufguss richtig geschlürft wird, so dass die feinen geschmacklichen Nuancen erlebbar werden, macht „Teatasterin“ Albrecht den Bäckern zunächst vor: „Möchten Sie schlucken oder spucken: das müssen Sie entscheiden.“

Schlucken oder spucken
Ebenso wie Kaffee, vertreibt Darboven Tee unter mehreren Marken. Neben „Eilles“ gehören dazu „Sansibar“, „Windsor Castle“ oder „Plateanum“.

Die Huth-Brüder sind angetan, was die Darboven-Tee- Chefin aus der Welt des Anbaus alles zu berichten weiß. Etwa, dass es ein falscher Eindruck sei, dass es in China grundsätzlich nicht sehr genau genommen würde mit der Umwelt: „Nein, nein, es gibt ganze Bio-Städte, die auch nur Bio-Tee anbauen.“ Und „Fairtrade“ sei beim Tee ebenso ein Thema wie beim Kaffee. „Das ist zwar noch ein kleines Pflänzchen, das aber wächst.“ Weiter geht die „schulende Verkostung“ über einige schwarze Tees. Susanne Albrecht beschreibt, worin sich erste oder zweite Pflückung unterscheiden. „Die Menschen in Deutschland trinken bei Grünund Schwarztee zu 60 Prozent lose Ware“, klärt sie weiter auf. Bei den Früchtetees hingegen – sie sind bei der Verkostung als nächste an der Reihe – würden zu drei Vierteln Teebeutel verwendet.

Pfefferminz

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Susanne Albrecht erklärt Dominique Huth anhand eigener Bilder den Ablauf auf der Teeplantage.

Kräuter- und Früchtetee schlürft unser Volk doppelt so gerne wie grünen und schwarzen, unterstreicht Susanne Albrecht. „Am allerliebsten Pfefferminz.“ Allerdings scheint der Fachfrau nicht jeder Trend zu gefallen, wie eine Bemerkung erahnen lässt: „Die Deutschen nennen alles Tee, wo sie heißes Wasser draufgießen – außer Hühnersuppe.“ Die gibt es in Hamburg im Hause Darboven nicht. Dafür tolle „Earl Grey“ und auch eine „Englische Mischung“; beide seien „Top-Seller“ im Sortiment. Daneben komme Grüntee mengenmäßig. „Das ist auch gut so“, findet Albrecht, „weil man sich damit ins Ur-Produkt hineinprobiert.“ Schließlich seien alle Schwarztees ja lediglich fermentierte Teeblätter, die unverarbeitet immer grün seien.

Seit 1994 ist Susanne Albrecht bei Darboven beschäftigt. An ihre Anfangszeit beim Kaffeeröster denkt sie schmunzelnd zurück: „Es war schön, den Kollegen zu erzählen: ‚Es gibt da noch ein Parallel-Getränk!‘“, lacht sie. Allerdings: Tee gehörte neben den braunen Bohnen ebenso schon immer zu Darboven. „Bereits der Gründer hatte Tee im Sortiment, es gab hier in Hamburg sogar ein eigenes Teehaus von Darboven!“ Seit 30 Jahren ist die Herrin über den Darboven-Teeeinkauf und das -Marketing im Teehandel aktiv. Ihr Wissen scheint unendlich: Nur 0,4 Prozent der Welternte, führt sie aus, kauften Deutsche auf. Die großen Teenationen seien natürlich China und Indien. Die dort eher noch steigende Nachfrage, insbesondere nach besseren Qualitäten, mache es für Darboven zuweilen nicht einfach, an Rohware zu kommen: Rotbusch aus Südafrika zum Beispiel sei im Preis zuletzt um 150 Prozent gestiegen, aufgrund der Nachfrage. „Es gibt ein Versorgungsproblem“, gibt Susanne Albrecht unumwunden zu, denn die Mittelschicht gerade in Indien und China wachse weiter; die Teeanbauflächen halten nicht mit.

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Auch die echten Bäcker müssen ran: Vor Sascha Huth steht eine lange Reihe mit vielen Aufgüssen zum Verkosten. Fotos: Schmalenbach

Und die Teeernte ist ohnehin ein mühsames Geschäft: Vier Kilo frisches Blattgut müssen für ein Kilo „fertiges Blatt“, wie Susanne Albrecht es nennt, geerntet werden. „Eine gute Pflückerin schafft maximal acht Kilo am Tag.“ Die Teebäume, die von Natur aus vier bis 15 Meter hoch werden könnten, würden auf eine optimale Pflückhöhe von einem Meter geschnitten. Zu diesen Erläuterungen zeigt die Tee-Chefin Bilder – selbst aufgenommene. Denn natürlich hat sie die Anbauländer alle schon bereist.

Ausbildungsberuf

Die Qualität der Arbeit von Karen Lässig und Susanne Albrecht kommt letztlich den Teefreunden in den Bäckereifachgeschäften des echten Bäckers zugute: Was sie in Limburg, Idstein oder Hadamar in die Tasse beziehungsweise das Glas bekommen, haben die „Teatasterinnen“ zuvor auf irgend einer Plantage der Welt entdeckt und ins Haus Darboven geholt. Und das mit großer Expertise: „Teataster“, erläutert Susanne Albrecht abschließend, sei ein richtiger Ausbildungsberuf. „Aber als ‚Teataster‘ arbeiten können Sie erst nach neun Berufsjahren.“ So lange brauche der Geschmackssinn, um sich zu entwickeln, und man benötige diese Erfahrung, müsse viele sensorische Eindrücke abspeichern.

Text: Uwe Schmalenbach
Quelle: Zeit für Brot 10